Der Schwerpunkt am Samstag, 27. November
Hilfen aus der Geistigen Welt?
Wäre es allein nach William Nonog gegangen, so hätten die Philippinen heute womöglich einen Taxifahrer mehr. Doch seine Großmutter hatte Anderes mit ihm vor. Er sei zum Heilen berufen, soll sie ihm eröffnet haben – nach ihrem Tode, in mehreren geisterhaften Erscheinungen. Und sie drängelte erfolgreich: Aus ihrem Enkel wurde schließlich einer der angesehensten “Psychochirurgen” seines Landes.
Aus dem “Jenseits” scheinen indes nicht nur Anstöße zu Heilerkarrieren zu kommen – sondern auch reichlich Beistand beim Heilen selbst. Von Gott, Göttern und Geistern, Engeln und “Aufgestiegenen Meistern” wähnen sich viele Heiler begleitet, beraten und geführt. Sie verstehen sich als Medien (lat. Vermittler), die in einem außergewöhnlichen Bewusstseinszustand zu Werkzeugen
einer höheren Intelligenz werden. Auch der Schamane heilt insofern medial: In Ekstase verschafft er sich Zugang zur Geisterwelt, die ihn an ihren höheren Einsichten und Fähigkeiten teilhaben lässt. Im Rahmen von spiritistischen Séancen, wie sie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Mode kamen, sind aus dem Mund von Medien seit eh und je gelegentlich auch medizinische Ratschläge zu vernehmen - sei es an Teilnehmern oder an deren abwesende Verwandte,
Freunde und Bekannte. Manchmal beschränken sich Heilkundige «von drüben» allerdings nicht bloß auf gelegentliche Empfehlungen, Belehrungen und Warnungen - sie gehen eine feste, oft jahre- und jahrzehntelange Verbindung mit einem Medium ein, um diesseits durch es therapeutisch zu wirken. Eine beachtliche Minderheit von Geistheilern beruft sich auf konkrete körperlose Helfer, die anscheinend wie menschliche Psychen überlegen, entscheiden und handeln können, indem sie sich des Heilers als eines
lebenden Instruments bedienen. Gelegentlich werden sie als verstorbene Ärzte identifiziert, die ihr überlegenes, womöglich im Jenseits vervollkommnetes Wissen weitergeben möchten. Manche Heiler wollen, bei vollem Bewusstsein, von solchen «Geistführern» bloß hin und wieder Eingebungen, Hinweise, Warnungen, Ratschläge zur rechten Vorgehensweise erhalten, die sie meist als innere Stimme erleben. Andere hingegen fühlen sich auch während ihrer Behandlungen regelrecht «geführt»; zum Teil scheinen
sie sich zeitweilig in willenlose Werkzeuge einer überlegenen, körperlosen Intelligenz zu verwandeln. Bei den diesjährigen Basler Psi-Tagen sind mediale Heiler reichlich vertreten: von Pedro von Hellmann (CH) und Claudia Kirsch (D), deren Arbeitsweise vom brasilianischen Spiritismus geprägt ist, über Atawallpa Oviedo aus Ecuador und die Kasachin Saira Serikbajewa bis hin zu Adnan Sarhan, einem Sufi-Meister aus dem Irak. Der griechische Heiler Christos Drossinakis wähnt sich häufig vom Geist seines verstorbenen Großvaters geführt, der auf seiner Heimatinsel Euböa selbst ein begnadeter Heiler gewesen sein soll, bis er im Alter von 102 Jahren starb. Dass jeder medizinisch Vorgebildete ein derartiges
Selbstverständnis als Humbug abtun muss, widerlegt die Referentenliste der diesjährigen “Psi-Tage”. Die Psychiaterin Dr. Anne Glantz-Steiner bezieht die “Geistige Welt” in ihre Praxis ein; die Ärztin und Heilerin Dr. med. Fela-Maria Winkler sieht sich von Engeln geführt; und auch der Mediziner Dr. Donatus Rüetschi, Mitglied des Organisationsteams der
“Basler Psi-Tage”, heilt medial, ebenso wie die Arztgattin Christa Klettner. Mediales Heilen wirft eine Fülle von Fragen auf, denen sich der 7. Weltkongress vor allem an seinem zweiten Tag in zahlreichen Vorträgen, Seminaren und Diskussionen zuwenden wird: Was zeichnet ein gutes Medium aus? Wie lässt sich entscheiden, ob es tatsächlich aus “höheren” Quellen schöpft – und
nicht nur aus der eigenen Psyche? Wie wird man ein gutes Medium, und wer bietet entsprechende Ausbildungen an? Ist jegliches Heilen letztlich medial? Kommt aus der Anderen Welt ausschließlich therapeutisch Hilfreiches – oder kann sie auch krank machen? Ist “Besessenheit” als eigenständiges Krankheitsbild ernstzunehmen, und wenn ja, können Exorzisten eher helfen als westliche Psychiater? Wie können wir uns notfalls vor derartigen Einflüssen schützen?
Berechtigte Skepsis wird dabei nicht unter den Tisch fallen. Am Anspruch eines Heilers, “medial” zu arbeiten, sind Zweifel angebracht, wenn sein therapeutisches Tun selbst keine Kenntnisse und Fertigkeiten erfordert, die über das hinausgehen, was sich ein medizinisch interessierter Laie aneignen kann; wenn Ausmaß und Geschwindigkeit der erzielten Heilwirkungen vollauf im Rahmen der Effekte bleiben, die andere Geistheiler auch ohne Beistand von
Totengeistern erzielen; wenn der Heiler nur banale, unüberprüfbare oder vermutlich aus irdischen Quellen entnommene Angaben über das Leben seines vermeintlichen «Führungsgeistes» macht; wenn keine paranormalen Vorkommnisse im Umfeld einer Behandlung darauf hindeuten, dass eine ”Andere Welt” daran mitwirkt. Und selbst wenn ein Heiler tatsächlich «Jenseitskontakte» unterhält, könnten weder er noch seine Patienten noch sonst jemand sicher sein, l dass sein «Geistführer» tatsächlich derjenige ist, als welcher er sich ausgibt. (Kein medialer Heiler kann mit Sicherheit ausschließen, einem raffinierten Dämon, einem trickreichen Außerirdischen oder dem perfiden «erdgebundenen» Geist eines Verstorbenen aufzusitzen.) l dass dieser Geist, seit er seinen Leib verließ, tatsächlich entscheidend hinzugelernt hat. (Dass derjenige, der stirbt, automatisch in «höhere» Erkenntnissphären aufsteigt, bleibt eine erbauliche Mutmaßung. Ein Arzt, der zu Lebzeiten mittelmäßig war, muss sich in der Geisterwelt nicht zwangsläufig zur Koryphäe weiterentwickelt haben.)
l ob das Medium wirklich klar und vollständig erfasst, was sein «Geistführer» ihm mitzuteilen versucht, und richtig umsetzt, was dieser zu tun gedenkt. Der «Draht nach drüben» ist häufiger zweifelhaft als halbwegs glaubwürdig: Allzuoft steigern sich Medien in eingebildete Identitäten hinein. Deren Auswahl befriedigt meist persönliche
Wunschvorstellungen, kompensiert eigene Ängste und mangelndes Selbstwertgefühl. Solche Phantasien mögen Medien helfen, Fähigkeiten freizusetzen, die andernfalls verschüttet blieben - doch es bleiben Eigenleistungen, mit allen Risiken und Grenzen behaftet, die mit Eingriffen in die Gesundheit anderer Personen verbunden sind. Patienten sind deshalb gut beraten, Heiler ausschließlich an den Früchten ihrer Arbeit zu messen; und diese können faul sein, egal woher sie stammen mögen.
Sind mediale Geistheiler die besten? Dafür gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Auch ihre Maßnahmen bleiben manchmal wirkungslos oder erreichen zuwenig; auch ihre Diagnosen liegen oft nachweislich daneben, sind widersprüchlich, nichtssagend vage und medizinisch laienhaft. Trotzdem können sie zumindest bei einer bestimmten Klientel oft wahre Wunder vollbringen, selbst dann noch, wenn andere Formen Geistigen Heilens ebenso versagt haben wie
ärztliche Kunst: nämlich bei Patienten mit einem gefestigten spiritistischen Weltbild oder zumindest einer starken religiösen Empfänglichkeit dafür. Für sie sind Geister eine Realität, die Vermutung ihres überlegenen Wissens und Könnens eine Gewissheit - und daraus erwächst einem Geistheiler eine erhebliche Autorität, die Placebo-Wirkungen potenzieren kann. Nichts spricht dagegen, sie zu begrüßen. (HW)
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