| | FLIEGE-Redaktion: Welche Regeln sollten Interessenten berücksichtigen, wenn sie zu einem Geistheiler gehen? Wiesendanger: In meinen Büchern lege ich
Hilfesuchenden dafür “Zehn Goldene Regeln” ans Herz. (Siehe z.B. Geistheiler – Der Ratgeber.) Die wichtigsten lauten: 1. Sich nicht irremachen lassen. 2. Überzogene Erwartungen zurückschrauben, Geduld haben. 3. Sich informieren. 4. Zum bewussten Selbstheiler werden.
5. Geistiges Heilen nicht als Alternative betrachten, sondern allenfalls als Ergänzung. 6. Auf die eigene Intuition vertrauen. 7. Auf Merkmale achten, die den Scharlatan verraten. 8. Sich nicht auf Werbung einlassen. 9. Nicht vermeintlichen “Stars” nachrennen - fast immer sind die zu überlaufen, zu teuer, zu weit weg.
FLIEGE-Redaktion: Welche Studien gab es bisher mit welchen
Ergebnissen?
Wiesendanger: Weitaus mehr, als Kritiker wahrhaben wollen – allerdings von höchst unterschiedlicher Qualität. Wenn wir uns nur auf diejenigen Studien konzentrieren, die in den vergangenen fünfzig Jahren in angesehenen Fachzeitschriften, in Diplomarbeiten und Dissertationen veröffentlicht worden sind, finden wir immerhin schon über 200, und zumindest ein, zwei Dutzend
davon genügen gehobenen wissenschaftlichen Ansprüchen. (Siehe Das Große Buch vom Geistigen Heilen, Kap. IV, und Fernheilen, Band 1.) Geistiges Heilen ist damit, neben Homöopathie und Akupunktur, die wohl besterforschte alternative Therapieform überhaupt. Deutlich mehr als die Hälfte dieser
Studien belegt Effekte, die ein unbefangener wissenschaftlicher Beobachter staunend als Anomalien konstatieren muss, auch wenn er sie im Rahmen des herkömmlichen naturwissenschaftlichen Weltbilds nicht erklären kann: Effekte auf “verblindete” Versuchspersonen, aber auch auf Pflanzen, Bakterien, Enzyme und vielerlei andere Objekte. Die wichtigsten Befunde lauten: Geistiges Heilen - erhöht gerade bei vermeintlich “therapieresistenten” chronisch Kranken die
Chancen auf Heilung oder zumindest auf Linderung; - es verbessert ihr Allgemeinbefinden und ihre Lebensqualität; - es senkt Behandlungskosten; verringert die Zahl der Arztbesuche, dämmt den Medikamentenkonsum ein; - es ist frei von schädlichen Nebenwirkungen; - es verträgt sich mit jeder ärztlichen Maßnahme; - und es macht die Humanmedizin humaner.
FLIEGE-Redaktion: Beim Projekt EUHEALS geht es um das Thema Fernheilung: wie ist das Projekt aufgebaut und
gibt es schon einen Zwischenbericht?
Wiesendanger: EUHEALS, eine Abkürzung für “European Healing Study”, läuft seit 2001, gefördert von der Europäischen Kommission als derzeit
einziges Forschungsprojekt im Bereich Alternativmedizin – erstaunlicherweise. Im Mittelpunkt stehen 400 Patienten, die aus schulmedizinischer Sicht austherapiert sind: Teils leiden sie an einem Chronischen Erschöpfungssyndrom (CFS), teils an einer mehrfachen Unverträglichkeit gegen Umweltchemikalien (MCS), wie z.B. Nahrungsmitteln und Kleidung. Knapp 20 Arztpraxen und Klinikambulanzen haben sie für uns voruntersucht. Ferner beteiligt sind 500 Heiler aus 21 Ländern Europas, die ich für
EUHEALS rekrutiert habe und während der Studie betreue. Die Patienten werden in vier gleich große Gruppen eingeteilt: a) Entweder werden sie fernbehandelt und wissen das. b) Oder sie werden zwar fernbehandelt, bleiben aber im Ungewissen darüber. c) Oder sie werden nicht fernbehandelt und sind sich darüber im Klaren. d) Oder sie werden nicht fernbehandelt, wissen das aber nicht. Jede Fernbehandlung dauert sechs Monate, wobei die beteiligten Heiler ihre
Patienten nicht kennen und bis zum Studienende keinerlei Kontakt zu ihnen haben. Ihnen liegt lediglich ein Porträtfoto vor, außerdem wird ihnen der Vorname und die Diagnose mitgeteilt. Am Ende vergleichen wir das Befindens vor und nach der sechsmonatigen Behandlungsphase in allen vier Gruppen. Mit Ergebnissen ist nicht vor Ende 2004 zu rechnen.
FLIEGE-Redaktion: Wie sieht die Rechtssituation des Geistigen
Heilens aus?
Wiesendanger: Zumindest in Deutschland belämmernd. (Siehe Geistiges Heilen für eine neue Zeit) Hier werden Heiler immer noch nach Nazi-Recht verfolgt und verurteilt, nämlich dem sogenannten “Heilpraktikergesetz” von
1939: Demnach ist es nur Ärzten und, mit gewissen Einschränkungen, staatlich zugelassenen Heilpraktikern, Krankheiten zu behandeln. Medizinische Laien, die sich trotzdem um Hilfesuchende trotzdem kümmern, riskieren eine Ordnungsstrafe in fünfstelliger Höhe und, im Wiederholungsfall, sogar Gefängnis – selbst wenn sie bisher keinem Patienten geschadet haben, aber vielen genützt. Denn nach Auffassung des deutschen Gesetzgebers, der bisher
fast alle deutschen Gerichte folgen, geht von Geistheilern zumindest eine abstrakte Gefahr für die “Volksgesundheit” aus: nämlich die, dass ein Patient im Vertrauen auf ihre mutmaßlichen Heilkräfte eine notwendige ärztliche Behandlung unterlässt. Diese Rechtslage ist skandalös, ihre Begründung haarsträubend: Ebensogut könnten Hersteller von Rettungsringen vor Gericht gezerrt werden, weil ihre
Kunden im Vertrauen darauf es womöglich unterlassen, schwimmen zu lernen. Jede Schachtel Zigaretten gefährdet die Volksgesundheit mehr, als es die geballte Energie von tausend Geistheilern jemals könnte. Und es gibt durchaus Juristen, die die Verfassungsmäßigkeit des Heilpraktikergesetzes in Zweifel ziehen, unter anderem mit Hinweis auf die im Grundgesetz verankerte Religionsfreiheit. Die meisten Heiler sind tiefgläubige Menschen, in Ritualen
wie dem Handauflegen und Gebetsheilen praktizieren sie diesen Glauben, und ihre Patienten nehmen an diesen Ritualen teil. Geistiges Heilen ist ein religiöser Akt, den zu verfolgen einer freiheitlichen Demokratie unwürdig ist. Anderswo in Europa geht es liberaler zu: In Großbritannien, in den Niederlanden, in mehreren Schweizer Kantonen, in den meisten Ländern des ehemaligen Ostblocks lässt man Heiler gewähren, solange sie keinen Schaden
anrichten. Ebenso wird in den USA und Kanada verfahren. Dass deswegen “die Volksgesundheit” dort ärger bedroht ist, hat noch niemand feststellen können.
FLIEGE-Redaktion: Kann Geistiges Heilen ins Gesundheitswesen integriert werden?
Wiesendanger: Die Frage, ob das geht, ist im Grunde bereits beantwortet: Denn Kooperationen zwischen Ärzten und Heilern finden längst statt, zur
Zufriedenheit aller Beteiligten – in Großbritannien schon seit den sechziger Jahren, und zunehmend auch im deutschsprachigen Raum. Kürzlich habe ich ein Buch herausgebracht, in dem sich 17 Ärzte outen: Teils arbeiten sie mit Heilern zusammen, teils wenden sie selber Geistiges Heilen in ihrer Praxis an. (Siehe “Geistiges Heilen in der ärztlichen Praxis”.)
Schwieriger zu beantworten ist die Frage nach dem Wie. Sollten wir Geistheiler einfach als vierten Heilberuf etablieren – neben Ärzten, Heilpraktikern und Psychotherapeuten – und sie frei arbeiten lassen? Oder erst nach einem wie auch immer gearteten Befähigungsnachweis? Oder grundsätzlich nur unter Aufsicht von Ärzten? Wie auch immer darüber letztlich entschieden wird: Die Entscheidung ist
überfällig, und für Gesundheitspolitiker wird es zunehmend schwieriger, sie auf die lange Bank zu schieben – denn der Nachfragedruck der Patienten wächst, ebenso wie die Zahl der Fürsprecher unter Ärzten und Wissenschaftlern.
FLIEGE-Redaktion: Welche Zukunft sehen Sie für Geistiges Heilen?
Wiesendanger: Das hängt vom Zeithorizont der Betrachtung ab. Mittelfristig wird sich die Integration Geistigen Heilens auch ins deutsche
Gesundheitswesen vermutlich fortsetzen, begünstigt durch den Anpassungsdruck, der vom europäischen Einigungsprozess ausgeht: Immer mehr Heiler werden Anbindung an Arztpraxen finden und in Kliniken tätig werden können – nach erfolgreichen Vorbildern aus dem Ausland -, immer mehr Ärzte werden selber Geistiges Heilen anwenden. (“Geistiges Heilen in der ärztlichen Praxis”) Auf lange Sicht habe ich allerdings Zweifel, ob es den Heiler als eigenständigen Akteur im Gesundheitswesen für immer und ewig geben wird, z.B. auch noch im 22. oder 23. Jahrhundert nach Christus. Denn Geistiges
Heilen besteht aus zwei Komponenten, einer psychologischen und einer physikalischen. Als Psychotherapeut gibt ein Heiler seinen Klienten Zuwendung, Aufmerksamkeit, Geduld, Entspannung, Suggestionen, einen Leidensmythos und Sinn – aber das können entsprechend ausgebildete Psychotherapeuten mööglicherweise besser. Als “Energie”therapeut führt er seinen Klienten ein physikalisch noch unergründetes Etwas zu – aber sobald
wir dieses Etwas messen, seine Gesetzmäßigkeiten verstehen und erklären können, werden wir vielleicht auch imstande sein, es technisch zu beherrschen und es Patienten dann zuverlässiger und effektiver zugute kommen lassen, als es einem menschlichen “Energiekanal” ab und zu gelingt. (Siehe Fernheilen, Band 1; Link auf “Ausblick”) |