So oder so müssen wir die anstehende Transformation nicht alleine bewältigen. Körperlose Geister, die uns "unendlich lieben", stehen uns bei: Kryon, das vom Amerikaner Lee Carroll gechannelte "Lichtwesen vom magnetischen Dienst", ebenso wie der "Erzengel Ariel", Kopf einer Quelle namens "Konzil von Ain Soph", die aus Tashira Tachiren sprudelt, der jesusgleiche "Sananda" von Eric Klein der "Erzengel Metatron" der
australischen Ascend Foundation, "Arkturus und die Höheren Lichtkommandos" des schwedischen Mediums Cecilia Sifontes oder der indische Avatar "Babaji" der Bernerin Brit Morf. Mit ihrem energetischen Knowhow modulieren sie die kosmischen Umwälzungen in möglichst humanverträglicher Weise. An ihrem überlegenen Wissen lassen sie möglichst viele von uns teilhaben, um uns als Verkünder und Wegbereiter des Unabwendbaren, letztlich aber Glückseligmachenden
einzuspannen.
Aus dieser Aufgabe leiten viele Lichtarbeiter auch eine Berufung und Befähigung zum Heilen ab. Seit jenem historischen Augusttag 1987 nämlich, der "Harmonischen Konvergenz", soll eine gänzlich "neue Energie" zur Erde strömen: die "Mahatma-Energie", eine Kraft aus der "höchsten Quelle", wie etwa für Priska A. aus Basel feststeht. Seit 1976 als Heilerin tätig, "übernahm" sie 1995 die "Aufgabe, den Fokus für die
Mahatma-Energie zu halten. (...) Alles, was ich bisher über Heilen gelernt hatte, ließ ich hinter mir und begann, nur noch Kanal zu sein für die Aufgestiegenen Meister und Heil-Wesen, die nun durch mich arbeiten." Ebenso auf die "Mahatma-Energie" schwört die Heilerin Ingrid T. aus Braunschweig; im Rahmen des Fernheilprojekts EUHEALS sandte sie drei Patienten jeweils ein halbes Jahr lang auf Distanz das heilsame Gotteslicht zu - bis zu fünfmal pro Woche, jeweils 20 bis 30 Minuten. Nach ihren Erfahrungen mit dieser "unglaublich reinen, starken" Energie "kann es passieren, dass es den Behandelten zunächst schlecht geht, körperlich wie psychisch." Zum Ausgleich setzt sie dann "die Reiki-Energie" ein, "die eine Harmonisierung fördert", wie überhaupt auffallend viele Lichtarbeiter Reiki praktizieren. Auch eine adrette Blondine mit dem "Kontaktnamen Piras", in deren Internetpräsenz das Himmelslicht mit ziemlicher Konsequenz die Kommas weggesengt hat, praktiziert "mit Hilfe meiner Lichtwesen Fernheilung"; als "Kryonschülerin" arbeitet sie, "geführt von Metatron, mit Lichtwesen auf höchster Engelsebene, zu denen auch meine Großmutter Franziska gehört und Kwan Yin, die Göttin der Barmherzigkeit". Wie sich mit solchen Diensten ordentlich abkassieren lässt, leuchtete offenbar einem ehemaligen deutschen Lehrer ein: Mittlerweile offeriert er, unter dem Künstlernamen "Mario Olivera", von Uruguay aus via Internet "Tele-Hilfe", nachdem ihn der Graf von Saint Germain, als "Aufgestiegener Meister", in "violettes Licht, das reinigende Licht des Wassermannzeitalters" tauchte: "Im Normalfall kostet eine Fernbehandlung 1140 Euro, zahlbar in zwölf Monatsraten à 95 Euro". Kurioserweise traut die esoterische Internetplattform Magakiru, wenngleich sie weiterhin Oliveros Selbstdarstellungen verbreitet, dem lila Hyperbelichteten nicht mehr so recht über den Weg; gleich daneben haben die Betreiber neuerdings den Kommentar gestellt: "Um den Jahreswechsel 2003/2004 hat Mario einen totalen Schwenk vollzogen. Aus einem langen Urlaub kehrte er als Geldgeier und selbsternannter Guru zurück."
Um zu lichtvollen Fernbehandlungen fähig zu werden, "arbeiten" Mahatma-Heiler zweigleisig. Zum einen treiben sie ihren eigenen "Lichtkörperprozess" bewusst voran, weil ihre Seele schon "reif" dafür ist; je weiter sie darin fortgeschritten sind, als desto "reinerer Kanal" für das göttliche Licht können sie fungieren - um so mehr richtet es therapeutisch aus. Zum anderen sind sie bemüht, denselben Prozess auch beim Klienten zu beschleunigen; je höher diesen sein "Aufstieg" (ascension)
schon geführt hat, desto empfänglicher ist er für die übermittelten Energien. Eine filigrane "Technik" fehlt, weil sie Anwendern überflüssig scheint: Sobald der Heiler nämlich um die geistvollen Hyperdimensionen weiß und sich im rechten Bewusstseinszustand auf sie einstellt, fließen heilsame Energien von dort, durch ihn hindurch, wie von selbst. Entfernung stellt dabei keinerlei Hindernis dar, denn göttliches Licht ist jederzeit überall, Raum ohnehin eine Illusion. Und weil sich in
kritischen Nachfragen jeglicher Art letztlich eine lichtferne niedere Seinsweise äußert, erspart sich der Mahatma-Heiler typischerweise die Mühsal medizinischer Dokumentation, die Zweifler besänftigen könnte. Überhaupt ist Diskutieren zwecklos. Denn Lichtarbeiter erkennen nur zwei Autoritäten an: ihre channelnden Medien, denen bei öffentlichen Live-Demonstrationen eine peinlich devote Heiligenverehrung entgegenschlägt; und die eigene Intuition in Fällen, in denen sich die Medien allzu
offensichtlich vergaloppieren. Letztlich sei "die wichtigste Prüfinstanz das Herz", weiß Reindjen Anselmi. "Dort und nicht im Kopf erkennt man letztlich, ob Gechanneltes Wahrheit enthält und von hoher Ebene stammt." Doch wer prüft die "Prüfinstanz"? Diagnose: chronisch rezidivierende Koronar-Infallibilitis. Prognose: therapieresistent.
Ähnlich wie Reiki-Praktizierende verstehen sich Lichtarbeiter als "Heiler" in einem Sinn, der über den therapeutischen Rahmen weit hinausgeht. Nicht nur Kranke, alles und jegliches soll "heil" werden, und dabei vertrauen sie uneingeschränkt auf die grenzenlose Macht des Geistes. Diesseitsverhaftete Naturen schicken Geld und Pakete in Krisenregionen -
"Lichtarbeiter" bevorzugen feinstofflichere Hilfslieferungen, wie der "Sternbringer" Edwin Zimmerli aus Uetikon im Kanton Zürich. In seinem Netzwerk GaiaNet spannt er Gleichgesinnte regelmäßig zu "globalen Meditationen" zusammen, "um eine positive, friedvolle Realität zu schaffen. Weil das Gehirn im meditativen Zustand dieselbe Frequenz aufweist wie das Erdmagnetfeld und das Bewusstsein der Meditierenden auf ein bestimmtes Ziel ausgerichtet ist, kommt es zu einer globalen, äußerst machtvollen Synchronisation und Bewusstseinsfokussierung. Darin liegt der Schlüssel, wie eine Minderheit als kritische Masse am Bifurkationspunkt die kollektive Realität in eine neue multidimensionale Wirklichkeit erheben kann."18 Ob Zimmerli im Akutfall seinen Zahnarzt lieber als GaiaNetworker denn als grobstofflich agierenden Dentalbohrer sehen würde, ist unbekannt.
Von Theosophen und Reikianern abgesehen, ist nirgendwo in der westlichen Esoterikszene ein ähnlich ausgeprägtes Sendungsbewusstsein vorzufinden wie unter "Lichtarbeitern". Unter den sieben bis acht Millionen weltweit, die Insider ihnen bereits zurechnen, überwiegen selbstzufriedene Dauerlächler, die unerschütterlich frohgemut von einer wahrhaft herkulischen Lebensaufgabe durchdrungen sind: Liebe und Licht bringend sich selbst, uns alle, die Erde zu beglücken - und zeitgleich auch noch etliche weitere von "383 Planeten in fünf lokalen Universen", die ebenfalls gerade im "Aufstieg" begriffen sind. Denn "als Lichtarbeiter bist du wahrscheinlich auch auf all diesen anderen Planeten inkarniert", tönt Erzengel Ariel durch seinen "Kanal" Tasshira Tachiren. "Unsere Inkarnationen bilden das Bindegewebe zwischen Universen, Sternen und Planeten. Wir helfen, verschiedene Planeten-Aufstiegsprogramme zu koordinieren, und unterstützen das Verschmelzen der verschiedenen Universen zu einem einzigen." Zum harten Kern der Lichtarbeiterszene zählt niemand, dem bei solchem Größenwahn mulmig wird. Selbst wenn manch einer schon Mühe hat, auch nur die eigene Beziehung zusammenzuhalten - bei nichts Geringerem als bei einer Multiuniversalverschmelzung zu assistieren, macht verblüffenderweise keinem bange. "Wenn du Alles-Was-Ist bist, was bist du dann nicht? Du bist das Universum, das sich selbst nach deinen Bildern der Realität neu erschafft", verheißt Erzengel Ariel für Ankömmlinge auf der "zehnten Lichtkörperebene". Wie erektionsgestört muss ein Selbstvertrauen sein, das sich mit derart überdosiertem Astralviagra aufpäppeln lässt?
Wen noch Bedenken hinsichtlich seiner intergalaktischen Omnipotenz plagen, der wird durch erbauliche Bilder ermutigt: "Man stelle sich einen Wolkenkratzer vor", so fordert Reindjen Anselmi auf, "bei dem jedes Stockwerk um ein doppeltes erleuchtet ist als im nächstunteren. Zum höchsten Stockwerk, das in gleißendem Licht steht, führt eine Treppe. In der Mitte führen mehrere unterschiedlich schnelle Aufzüge nach oben. Der größte Teil der Menschheit bewegt sich jetzt die ganze Treppe im Aufstiegs- bzw. Lichtkörper-Prozess verteilt nach oben. Die Lichtarbeiter hingegen sind in Aufzügen und machen den Mahatma-Prozess durch. Das heißt, der Erleuchtungsvorgang ist wesentlich rascher, intensiver und umfassender, weil sie in den höheren Dimensionen die entsprechenden Energien des Lichtkörpers gleichsam abholen bzw. zur Wiederaktivierung vorfinden." Vom selben Elitendünkel zeugt Anselmis "Bild eines hohen Bergs, zu dessen Spitze die große Mehrheit der Menschen auf einem spiralförmigen Rundweg marschiert, während zahlreiche Lichtarbeiter mehr oder weniger steile und gerade Abkürzungen nehmen und mit ihrem Licht den Rundweg beleuchten." Jene Lampe, die der Umnachtung der Lichtarbeiterszene ein Ende machen könnte, harrt noch der Entdeckung. Vielleicht wartet sie 2012 auf der Bergspitze - und leuchtet fortan zumindest jenen heim, aus deren Gehirn endlich allerlei ätherische Kristallimplantate entfernt worden sind.
Quellenangaben und weitere Literaturhinweise in Fernheilen, Band 1. |
