Was hält die IVH von
HEILERVERBÄNDEN?
Magisches Dreieck der Geldvermehrung
Auf dem Esoterikmarkt hat sich Geistiges Heilen zu einem der florierendsten Geschäftsfelder entwickelt: Hunderte von Schulen diplomieren Selbstberufene, für bis zu fünfstellige Eurobeträge, im Schnelldurchlauf zu "Heilern"; Gütesiegel als “anerkannte” Ausbildungsbetriebe kaufen sie bei Heilervereinen ein. Diese locken Mitglieder mit Vermittlungsdiensten, werbeträchtigen Titeln und Urkunden ("geprüft", "anerkannt", "Meister") - und kassieren dafür Jahresbeiträge, Prüfungs- und Lizenzierungsgebühren. Weil alle Beteiligten davon profitieren, ist daraus ein magisches Dreieck zur Geldvermehrung entstanden, welches die Zahl sogenannter "Heiler" allein in Deutschland fünfstellig werden ließ - und es Hilfesuchenden schwerer denn je macht, wirkliche Könner zu finden.
 Dieses Dreieck entfaltet Anziehungskräfte, in deren Sog inzwischen weitere Personengruppen und Einrichtungen geraten, sobald ihnen der persönliche Vorteil dämmert, den ein Schulterschluss mit dem Trio mit sich brächte. Unterbezahlte Akademiker, die lange Zeit mit verkannter Genialität, und deshalb schnöde unbeachtet, an allerlei bahnbrechend-genialen und mindestens nobelpreisverdächtigen Apparaturen zur Messung von "Bioenergien" und ihrer subtilen Effekte im Organismus getüftelt haben, kommen nun plötzlich auf die Idee, ihre Erfindungen als neophysikalische High-Tech-Instrumente "zur Feststellung von Heilkräften" anzubieten; sie tun dies umso emsiger, je ausgiebiger sie zuvor am Hungertuch genagt haben, weshalb sich darunter auffallend viele Doktoren und Professoren aus Osteuropa tummeln - 2007 lebten allein in Moskau 33 Dollar-Milliardäre neben Tausenden von Akademikern, die selten mehr als den russischen Durchschnittslohn von knapp 400 Euro pro Monat verdienen - , aber auch verkannte inländische Privatforscher außerhalb der Hochschullandschaft. Je imposanter die gemessenen "Spitzenwerte", je prachtvoller die Urkunden, je überschwenglicher die "Gutachten" ausfallen, die sie ihren Auftraggebern feilbieten, desto üppiger werden sie honoriert; einzelnen Heilern und Heilerschulen waren solche "wissenschaftlichen" Dienstleistungen schon Beträge im höheren fünfstelligen Eurobereich wert, und bereuen dürfte diese Investition kaum einer: In einer Welt, die den Forschungsbetrieb als heilige Kuh hätschelt, gelten positive Messdaten, bei denen irgendwelche Zeiger heftig ausschlagen, Kontrolllampen ekstatisch blinken und Diagrammkurven ein Koordinatensystem schwungvoll sprengen, als besonders objektiver, glaubhafter Befähigungsnachweis, weshalb Heiler bei ihrer Klientel damit mächtig Eindruck schinden können. Und eine Heilerschule, die eine "messtechnische Begleitung durch Spitzenforscher" anbieten kann, verschafft sich beim Rekrutieren von Kursteilnehmern einen gravierenden Wettbewerbsvorteil, der noch wächst, wenn die Messungen zu "belegen" scheinen, dass besonders viele Schüler in phänomenal kurzer Zeit spektakuläre "energetische" Effekte zustande bringen.
Als Korrektiv in der Heilerszene, die Könner, Wenig- und Nichtskönner unterscheiden hilft, könnte biophysikalische Forschung ein Segen sein, den verunsicherte Hilfesuchende freudig begrüßen würden. Als käufliche Dienstleistungseinrichtung - zur Befriedigung der Geschäftsinteressen von Auftraggebern und zur Steigerung von deren Einkünften - macht sie sich hingegen zur Hure.
Längst in den Bannkreis des "magischen Dreiecks" geraten ist auch ein Großteil der Szenepresse. Den notorisch klammen Esoterikzeitschriften sind großformatige Inserate, wie sie sich Heilerschulen und -verbände zunehmend leisten können, verständlicherweise hochwillkommen; als Gegenleistung für Anzeigenaufträge winkt der Abdruck von lobhudelnden PR-Texten - oft aus der Feder von willfährigen Schreibknechten, die sich von Schulen und Verbänden dafür entlohnen lassen -, wobei Mindeststandards journalistischer Ethik in geradezu paranormaler Geschwindigkeit über Bord gehen. Mahnende Stimmen, unangenehme Interviewfragen, kritische Kommentare, hartnäckige Recherche kommen auch deswegen in der esoterischen Medienlandschaft, sobald Geistiges Heilen zum Thema wird, kaum noch vor - sie wären Störenfriede harmonischer Geschäftsbeziehungen zu beiderseitigem Nutzen. Und so bleibt unhinterfragt, wer eigentlich die Prüfer geprüft, die Titelschleudern legitimiert hat.
Was das Dreieck entstehen ließ und zusammenhält, sind gleichgerichtete Interessen, welche die Beteiligten darin optimal befriedigen können: Wovon sie profitieren, nützt zugleich den Partnern - Ökonomen würden hier von einer idealtypischen"Win-Win-Win"-Situation sprechen.
Ein perpetuum mobile ist es freilich nicht: Die Konstruktion steht und wächst nicht aus eigener Kraft; sie ist ein Energievampir, der sich aus einer anhaltenden, stetig wachsenden Nachfrage von Hilfesuchenden nährt. Doch diese wird abebben, und eine Hauptrolle dabei spielt nicht etwa die betonköpfige, hartnäckig unspirituelle Schulmedizin, sondern tragischerweise das Dreieck selbst - weil es dabei ist, die Zukunft Geistigen Heilens zu verspielen: Denn wer einmal an jene Karikatur Geistigen Heilens geraten ist, welche die Szene als Original feilbietet, wird es kein zweites Mal mehr tun - und sich enttäuscht abwenden.
Wenn aber bei sinkender Nachfrage die Zahl von "Heilern" wächst, gibt es an immer weniger Patienten zu verdienen; produzieren immer mehr Heilerschulen immer mehr "ausgebildete" und initiierte Heiler, denen ihre teuren Kurse beim Kundenfang immer weniger nützen, weil zuviele Andere diese ebenfalls absolviert haben; verlieren Lizenzen, Diplome und Urkunden von Heilervereinen stetig an Wert, weil zuviele Andere sie ebenfalls als Werbemittel einsetzen. Die Heilerschwemme auf dem alternativen Gesundheitsmarkt zeugt von einer spekulativen Blase angebotseits, aus der irgendwann die Luft entweichen wird: dann nämlich, wenn bei der Kundschaft enttäuschte Erwartungen überhandnehmen und sich herumsprechen. Eine lästige Konkurrenz für etablierte Heilberufe wird sich auf diese Weise ganz von alleine erledigen, auch ohne "Heilpraktikergesetz" und andere rechtsstaatliche Zwänge. Dass ein solches Szenario immer wahrscheinlicher wird, könnte ein Grund dafür sein, dass Ärztekammern, Heilpraktikerverbände und andere therapeutische Standesvertretungen seltsam unaufgeregt reagierten und weitgehend stillhielten, als Geistiges Heilen vom Bundesverfassungsgericht 2004 legalisiert wurde: Sie wissen, dass die beschriebenen Trends innerhalb der Heilerszene ihnen letztlich in die Hände spielen, zu ihrer klammheimlichen Freude. Das Heilerwesen ist dabei, nicht an böswilligen, spirituell unterentwickelten äußeren Feinden zugrunde zu gehen, sondern an seinen eigenen Institutionen.
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Wie trickreich Schulen und Vereine zusammenspielen |
