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Erklärungsansätze für Geistiges Heilen (6)

  • Harald Wiesendanger
  • 22. Sept.
  • 7 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 17. Okt.

”Dem Phänomen Geistiges Heilen mangelt es an einer vernünftigen Erklärung.” (Teil 6)


Ausführliche Auseinandersetzungen mit diesem und weiteren Argumenten in Geistiges Heilen - Das Große Buch, Geistheiler - Der Ratgeber, Heilen “Heiler”? und Fernheilen, Band 2.


Den esoterischen Modetrend, die Quantenmechanik weltanschaulich zu vereinnahmen, hat niemand publikumswirksamer gefördert als Fritjof Capra (*1939). Der österreichische Atomphysiker und Philosoph, aus dessen Lebenslauf die Bezeichnung "Heisenberg-Schüler" hervorsticht, legte mit , vor allem aber mit ein literarisches Credo ab, das nicht nur die New Age-Bewegung tiefgreifend beeinflusste, sondern auch viele Mediziner, Biologen und andere Naturwissenschaftler davon überzeugte, welch umwerfend "neues Denken" die Quantentheorie auch auf ihrem Fachgebiet erfordere und stütze. Drei Glaubenssätze kennzeichnen diese revolutionäre Weltsicht: 1. Holismus: Alles hängt mit allem zusammen, uns eingeschlossen. Alles gehört organisch zu einem großen Ganzen, wie sich umgekehrt das Ganze in all seinen Teilen wiederspiegelt. "Die Vorstellung von getrennten Teilen ist eine Idealisierung", verkündet Capra. "Die moderne Physik verwandelte das Bild vom Universum als einer Maschine in die Vision eines unteilbaren dynamischen Ganzen." "Jeder Teil des Universums ist zugleich das Ganze", so heißt es im Klappentext von Capras Kosmischem Reigen, "und das Ganze ist zugleich jeder Teil - alles Sein durchdringt sich gegenseitig." Damit treffe sich moderne Physik mit uralter östlicher Mystik. So sei Niels Bohr "sich der Parallele zwischen seinem Begriff der Komplementarität und der chinesischen Gedankenwelt wohl bewusst" gewesen und habe deren "profunde Harmonie anerkannt". Bei der amerikanischen New Age-Prophetin Marilyn Ferguson wird daraus die "Notwendigkeit, jene unitäre Sicht der Mystiker anzuerkennen: ‚Wir sind alle eins.'"53 Und weil diese Konsequenz angeblich logisch zwingend aus der Quantenphysik folgt, gilt es für den westlichen Menschen nunmehr, sich die eigenen emotionalen Widerstände dagegen zu vergegenwärtigen und aus tieferer, quantenphysikalisch geläuterter Einsicht zu überwinden. Für einen solchen "intensiven Lernprozess und einige Bemühungen", den "existentiellen Kern der universellen ‚Verbundenheit'" in seiner ganzen Bedeutung zu begreifen und daraus "Konsequenzen für unser Leben" zu ziehen, wirbt beredt der Wissenschaftshistoriker Marco Bischof, Autor eines im übrigen vorzüglichen Buches über die Entwicklung der "Neuen Physik" aus älteren Konzepten feinstofflicher Felder. Zu überwinden gelte es insbesondere "Grundannahmen und Grundbefindlichkeiten unserer europäischen Kultur und westlichen Zivilisation, nicht zuletzt der hohen Wertschätzung von Individualität, Autonomie und Freiheit" - sie gehen fehl, wenn "meine Gedanken und Gefühle nicht mehr ausschließlich mir gehören, sondern untrennbar mit denen anderer Menschen verflochten sein sollen" und "mein Innerstes für Einflüsse von außen ungeschützt offensteht".

2. Subjektivismus: Es gibt keine objektive Wirklichkeit, unabhängig davon, wie sie dem Betrachter erscheint, lehrt Capra: "Das Elektron besitzt keine von meinem Bewusstsein unabhängigen Eigenschaften. In der Atomphysik kann die scharfe kartesianische Unterscheidung zwischen Geist und Materie, zwischen dem Beobachter und dem Beobachteten, nicht länger aufrechterhalten werden."55 Die Quantentheorie habe "den Begriff von grundsätzlich selbständigen Objekten abgeschafft."

3. Idealismus: Das ganze Universum ist eher geistiger als materieller Natur - zumindest aber sind beide Aspekte untrennbar miteinander verwoben. Deshalb kann unser Geist alles Seiende unmittelbar mitgestalten. Laut Capra "mag es die Quantentheorie notwendig finden, das menschliche Bewusstsein in ihre Beschreibung der Welt einzubeziehen. Sie sieht jetzt das Universum als zusammenhängendes Gewebe physikalischer und geistiger Beziehungen." Wortführer einer "Neuen Medizin" wie Rüdiger Dahlke spitzen dieses Glaubensbekenntnis zu einem "sehr einfachen Schlüssel zur Erleuchtung" zu: "Wenn wir alles wollen, was geschieht, geschieht alles, was wir wollen."  


Indes spricht vieles dafür, dass die Quantenphysik hierbei eher ideologisch vergewaltigt als konsequent weitergedacht wird. Ist die Quantenphysik wirklich holistisch? Alle bisherigen Experimente, in denen "non-lokale Verschränkungen" zum Vorschein kamen, fanden mit sogenannten "Quantensplittern" statt: mit Teilchen, die schon einmal in Wechselwirkung zueinander gestanden haben - sei es, dass sie aus einem anderen Teilchen hervorgingen, sei es, dass sie aus derselben Emissionsquelle stammen, sei es, dass sie miteinander kollidierten. Capras Behauptung, die "Verschränkung" beziehe das gesamte Universum ein, kann sich weder auf Argumente Bohrs und seines Doktorvaters Heisenbergs stützen, noch gibt es bisher irgendeinen experimentellen Beleg dafür. Eher an den Haaren herbeigezogen mutet bei genauerem Hinsehen auch die Unterstellung an, die Begründer der Quantenphysik hätten mit fernöstlichem Mystizismus geliebäugelt; um sie zu solchen vermeintlichen Sympathisanten zurechtzubiegen, scheint Capra nicht davor zurückgeschreckt zu haben, ihnen Zitate in den Mund zu legen, in deren größerem Kontext sie seiner Vermutung in Wahrheit mit deutlichen Worten widersprechen. So wird Bohr von Capra wie folgt zitiert58: "Um zur Lehre der Atomtheorie eine Parallele zu finden, (...) müssen wir uns den erkenntnistheoretischen Problemen zuwenden, mit denen sich bereits Denker wie Buddha und Lao-tzu auseinandersetzten, wenn wir einen Ausgleich schaffen wollen zwischen unserer Position als Zuschauer und Akteure im großen Drama des Daseins." Capra verschweigt, dass Bohr dieses Diktum so fortsetzt: "Die Erkenntnis einer solchen Analogie (...) darf jedoch keineswegs mit der Einführung irgendeines dem wahren Geist der Wissenschaft fremden Mystizismus verwechselt werden. Ganz im Gegenteil ..."   Von Faktenbiegerei zeugt auch, was Capra über Bohrs China-Besuch 1937 und dessen angebliche biographische Bedeutung zu berichten weiß: Dort eingetroffen, sei Bohr "von dem alten chinesischen Begriff der polaren Gegensätze tief beeindruckt" gewesen, und "von der Zeit an behielt er Interesse an der östlichen Kultur." Zehn Jahre später, als Bohr anlässlich einer Auszeichnung ein geeignetes Motiv für sein Wappen suchte, fiel seine Wahl auf das chinesische Symbol für t´ai chi, das "die komplementäre Beziehung der Gegensätze Yin und Yang darstellt." Damit habe "Niels die profunde Harmonie zwischen alter östlicher Weisheit und moderner westlicher Wissenschaft anerkannt". Ganz anders hört sich das allerdings aus dem Munde von Bohrs engem Weggefährten Wolfgang Pauli an: "Als ich Bohr fragte, wie er darauf (auf die Wahl dieses Wappens) kam, wusste er nur wenig zu sagen: er habe damals über China gelesen und fand, das Zeichen stelle gut dar, dass Gegensätze nicht notwendig zu einem Widerspruch Anlass geben müssen. Etwas betont fügte er hinzu, sonst sei nichts dahinter." Und auch aus Heisenbergs Gesamtwerk lässt sich schwerlich ein Hang zu östlichem Mystizismus herausdeuten. Hinweise auf die chinesische Philosophie finden sich darin nur spärlich. Viel stärker kreiste Heisenbergs Denken offenkundig um die griechischen Naturphilosophie. Das Register seines Buchs verweist auf 37 Seiten mit Platon-Zitaten. Auch in seinem berühmten Werk greift Heisenberg vornehmlich Anregungen aus der griechischen Antike und dem Werk Immanuel Kants auf. Sogar in jenen Kapiteln, in denen er über die Beziehungen der Physik zur Biologie, Religion und Metaphysik nachdenkt, geht es überwiegend um Bezüge zum Christentum, Calvinismus, Pragmatismus und Positivismus - von China und Indien keine Spur. Ist die Quantenphysik subjektivistisch? Gegen eben diesen Eindruck haben sich ihre geistigen Väter vehement verwahrt. "Natürlich", so betonte Heisenberg64, "darf man die Einführung des Beobachters nicht dahin missverstehen, dass etwa subjektivistische Züge in die Naturbetrachtung gebracht werden sollten. Der Beobachter hat vielmehr nur die Funktion, (...) Vorgänge in Raum und Zeit zu registrieren, wobei es nicht darauf ankommt, ob der Beobachter ein Apparat oder ein Lebewesen sei." Bei den Kopenhagener Experimenten war der "Beobachter" ein Schaltautomat zum Einstellen der Apparatur, mit einem Zählwerk zum Registrieren der Ergebnisse - also weder ein Mensch mit seiner subjektiven Perspektive, noch überhaupt ein mit "Bewusstsein" ausgestattetes Wesen. Auch hier verrät Capra einen - gelinde gesagt - eigenwilligen Stil, mit Quellen umzugehen. Heisenbergs berühmter Satz: "Die ‚Bahn' des Elektrons entsteht erst dadurch, dass wir sie beobachten" wird in der Wendezeit "übersetzt" in: "Das Elektron besitzt keine von meinem Bewusstsein unabhängigen Eigenschaften" oder sinngemäß, wenn wir die doppelte Verneinung auflösen: "Alle Eigenschaften des Elektrons hängen von meinem Bewusstsein ab." Doch das hatte Heisenberg zuallerletzt im Sinn. Was er meint, ist dies: Sobald man die Bewegung des Elektrons in einem Mikroskop beobachtet, beeinflusst man seine Bewegung - durch das Licht des Mikroskops - in unvorhersehbarer Weise. Trotzdem ist das Elektron mit all seinen Eigenschaften vorhanden, unabhängig vom Bewusstsein eines menschlichen Beobachters. Andernfalls würden verschiedene Beobachter auch auf verschiedene Elektroneneigenschaften stoßen - und kein einziges Experiment wäre mehr reproduzierbar. In der experimentellen Quantenphysik verursacht aber jeder Beobachter, und auch jeder Apparat, die gleiche Art von Störung - insofern kommt es auf ein individuelles Bewusstsein auch in diesem Forschungsbereich nicht an. Dies zu betonen, lag Heisenberg am Herzen: "Die Kritik an der Quantentheorie (...) geht (...) von der Befürchtung aus, dass (sie) die Existenz einer objektiv-realen Welt leugnen, die Welt also (unter Missverständnis der Ansätze der idealistischen Philosophie) in irgendeiner Weise als Sinnentrug erscheinen lassen könnte. Der Physiker aber muss in seiner Wissenschaft voraussetzen, dass er eine Welt studiert, die er nicht selbst gemacht hat und die ohne ihn auch, und im wesentlichen genauso, vorhanden wäre." Ebenso betonte Carl Friedrich von Weizsäcker: "Auf den Beobachter als diese individuelle Person kommt es gerade nicht an.” Es trifft zu, dass Heisenberg an anderer Stelle bemerkt: "Die Vorstellung von der objektiven Realität der Elementarteilchen hat sich in einer merkwürdigen Weise verflüchtigt ...". Allerdings beeilt er sich, eben diesen Satz zu vervollständigen: " ... nicht in den Nebel irgendeiner neuen, unklaren oder noch unverstandenen Wirklichkeitsvorstellung." Im selben Absatz erläutert Heisenberg, inwiefern von einer solchen "Verflüchtigung" des Objektiven überhaupt nur die Rede sein kann: "Bei den kleinsten Bausteinen der Materie (....) bewirkt jeder Beobachtungsvorgang eine grobe Störung; man kann gar nicht mehr vom Verhalten des Teilchens, losgelöst vom Beobachtungsvorgang, sprechen. Dies hat schließlich zur Folge, dass die Naturgesetze, die wir in der Quantentheorie mathematisch formulieren, nicht mehr von den Elementarteilchen an sich handeln, sondern von unserer Kenntnis der Elementarteilchen. Die Frage, ob diese Teilchen ‚an sich' in Raum und Zeit existieren, kann in dieser Form also nicht mehr gestellt werden, da wir stets nur über die Vorgänge sprechen können, die sich abspielen, wenn durch die Wechselwirkung des Elementarteilchens mit irgendwelchen anderen physikalischen Systemen, z. B. den Messapparaten, das Verhalten des Teilchens erschlossen werden soll."  Leistet die Quantenphysik einem idealistischen Weltbild Vorschub? Als eine Kette peinlicher Kurzschlüsse hat der Physiker Professor Martin Lambeck von der Technischen Universität Berlin die Heisenberg-Interpretation Capras nachgezeichnet: 1. Durch eine Beobachtung wird die Bewegung eines Elektrons geändert. (Heisenbergs Behauptung) 2. Durch eine Beobachtung werden die Eigenschaften eines Elektrons geändert. 3. Durch einen Beobachter werden die Eigenschaften eines Elektrons geändert. 4. Durch einen menschlichen Beobachter werden die Eigenschaften eines Elektrons geändert. 5. Durch das Bewusstsein eines menschlichen Beobachters werden die Eigenschaften eines Elektrons geändert. 6. Durch mein Bewusstsein werden die Eigenschaften eines Elektrons geändert. 7. Alle Eigenschaften des Elektrons hängen von meinem Bewusstsein ab. (Capras "Übersetzung") Eine "Wendezeit", allerdings eine der unerfreulicheren Art, hat hierbei allenfalls bei Qualitätsstandards für den Umgang mit wissenschaftshistorischen Quellen stattgefunden. Dass ein Weltbild, wie es Capra propagiert, am Ende vielleicht doch zutrifft, kann kein seriöser Wissenschaftler, der die grundsätzliche Falsifizierbarkeit empirischen Wissens ernst nimmt, von vornherein ausschließen. Definitiv ausschließen lässt sich aber, dass der Mann, dessen Lehrerschaft Capra wie eine Monstranz vor sich herträgt, und andere Väter der Quantenphysik dieses Weltbild mit ihm geteilt haben - und dass die Quantenphysik auf ihrem gegenwärtigen Stand bereits zwingende Gründe liefert, zu diesem Weltbild zu konvertieren.  

Manfred G., Frankfurt


 
 
 

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