Geistheiler gefährden Patienten (7)
- Harald Wiesendanger
- 22. Sept.
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 5. Okt.

Ausführliche Auseinandersetzungen mit diesem und weiteren Argumenten in Geistiges Heilen - Das Große Buch, Geistheiler - Der Ratgeber, Heilen “Heiler”? und Fernheilen, Band 2.
Allerdings versagt eine rein psychologische Deutung in Fällen, in denen das Opfer nachweislich nichts davon weiß, dass sich ein Schadenszauber auf seine Person richtet - und trotzdem heftig darauf reagiert, selbst über große Entfernungen hinweg. Einen der überzeugendsten Fälle von schwarzmagischer Körperverletzung eines ahnungslosen Opfers präsentierte der mehrfach preisgekrönte Dokumentarfilm "Reise ins Jenseits", der Ende der sechziger Jahre mit beachtlichem Erfolg in deutschen Kinos lief. Die brasilianische Voodoo-Priesterin Madrinia Violte hatte von einer Familie den Auftrag bekommen, eine Hunderte von Kilometern entfernt lebende Frau zu quälen, Senora Ottilia aus Indaituba. Dazu benutzte die Magierin eine primitive Stoffpuppe, die den Körper des Opfers symbolisierte. Darin stach Violte Nadeln ein, so tief, dass sie völlig in der Puppe verschwanden; dabei murmelte sie unverständliche, drohend klingende Beschwörungsformeln. Jedesmal reagierte das ahnungslose Opfer darauf derart heftig, dass es das staatliche Krankenhaus von Indaituba aufsuchen musste. Dort belegten Röntgenaufnahmen, dass tief in ihrem Körperinneren zentimeterlange, nadelartige Metallteile steckten, die heftig schmerzten und chirurgisch entfernt werden mußten. "Dass die Nadeln manuell von außen durch die Haut eingeführt wurden, ist auszuschließen", erklärte Chefarzt Dr. Ramos dazu. "Dagegen spricht die Lage der Metallteile zwischen den Knochen und in der Tiefe der Gliedmaßen, aber auch das Fehlen jeglicher Einstichstellen." Ihm seien "Hunderte von ähnlichen Fällen in Brasilien" zu Ohren gekommen.
Dramatische Anhaltspunkte, die in dieselbe Richtung deuten, verdanken wir dem amerikanischen Psychologen Max Freedom Long, den es 1917 nach Hawaii zog. Dort brachte er mehrere Jahre als Schullehrer in der Nähe des Kilauea-Vulkans zu - und betrieb nebenbei eingehende ethnologische Feldforschungen. Hierbei stieß er auf die magische Praxis des ana-ana: des "Todesgebets", dessen Ursprung in Polynesien liegt, von wo aus es sich auf die hawaiianischen Inseln ausbreitete. Mit detektivischem Spürsinn recherchierte Long zahlreiche Fälle, in denen Schamanen ein Opfer, das oft auf einer anderen Insel lebte, regelrecht "zu Tode beteten". Fast immer hatte es keinerlei Ahnung, welch düstere Intentionen sich auf es richteten; Suggestionen schieden folglich aus. Am meisten verblüffte den Forscher, daß sämtliche Opfer auf die gleiche Weise starben, die westliche Mediziner als "aszendierende Paralyse" bezeichnen würden: An Zehen und Füßen einsetzend, wurden zunächst die unteren Gliedmaßen taub und lahm. Dann stiegen die Symptome aufwärts, wobei sie sich stetig steigerten. Sobald sie die Höhe des Zwerchfells erreicht hatten, starb der Betroffene an Atemstillstand. Ein Krankheitsbild, das westlichen Medizinern vertraut ist und mit dieser Erkrankung nahezu identisch ist, ist das Guillain-Barré-Syndrom (akute Polyneuritis). In jedem zweiten derartigen Fall kann eine Virusinfektion des oberen Atemwegs- oder Magen-Darm-Trakts nachgewiesen werden - doch ansonsten gilt die Krankheit als "idiopathisch", d. h. ohne erkennbare Ursache entstanden. Heutzutage geht sie in der Regel nicht mehr tödlich aus, weil künstliche Beatmung die Betroffenen am Leben hält, bis sie überstanden ist.
Der Anthropologe Michael Harner, auch hierzulande prominent geworden durch sein Werben für einen "westlichen" Schamanismus, verbrachte längere Zeit bei den Jivaros, einem südamerikanischen Indianerstamm in Ecuador, und erlernte ihre Sprache. Unter den Bräuchen, in die er eingeweiht wurde, war das Verschießen von tsentaks, unsichtbaren magischen Pfeilen, weit verbreitet. Diese tsentsaks werden von den Jivaros als Hilfsgeister betrachtet, die Krankheiten heilen, aber auch verursachen können. "Gute" Schamanen sind imstande, sie aus Getroffenen "herauszusaugen", während "böse" Gegenspieler sie einsetzen, um Stammesgenossen übel mitzuspielen. Auch Harner schildert zahlreiche Fälle, in denen die Opfer unmöglich von der Beeinflussung wissen konnten.
Bei den Zulus in Afrika lernte der italienische Forschungsreisende Attilio Gatti einen Sangoma (Medizinmann) kennen, der ihn in den Schadenszauber des "Roten Feuerballs" einweihte. Dazu werden lediglich ein paar Haare des ausgewählten Opfers benötigt. Diese wickelt der Sangoma zusammen mit der Haut einer Giftschlange und Teilen toxischer Pflanzen in ein rotes Tuch ein, das er mit Bast verschnürt und unter Beschwörungen kocht. Anschließend wird der Ball an einer Bastschnur über einem Schlangennest aufgehängt. Irgendwann reißt der Bast, und das Bündel fällt auf die Schlangen. In genau diesem Augenblick soll das Opfer, wo auch immer es sich gerade befindet, tot umfallen, so als hätte eine Giftschlange es gebissen. Gatti schildert mehrere Fälle, in denen (Auto-) Suggestion der Opfer auscheidet, weil sie von den ausgeführten Manipulationen nichts wissen konnten. Ähnlich verfahren die Zauberer der Kâte auf Papua-Neuguinea, wenn sie irgendetwas, das nach ihrem Glauben die Seele (ga) des Menschen enthält - sei es ein Härchen, ein Speiserest oder ein Zigarettenstummel - mit Bast und Blättern zu einem Päckchen verschnüren, das sie anschließend traktieren. In der ethnologischen Fachliteratur finden sich als Folgen schwarzer Magie unter anderem Unfälle, eine im Koma endende schlagartige Mattigkeit, gastritische Schmerzen und eine unvermittelt einsetzende Appetitlosigkeit, an der Betroffene schließlich verhungern.



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