Geistheilung - die Grenzen der Psi-Hypothese
- Harald Wiesendanger
- 22. Sept.
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 17. Okt.
”Dem Phänomen Geistiges Heilen mangelt es an einer vernünftigen Erklärung.”
(Teil 12/Ende)
Ausführliche Auseinandersetzungen mit diesem und weiteren Argumenten in Geistiges Heilen - Das Große Buch, Geistheiler - Der Ratgeber, Heilen “Heiler”? und Fernheilen, Band 2.
Der Erklärungsnotstand bleibt
Die Indizien dafür, dass Menschen auf ihre Umgebung auch aus großer Entfernung telepathisch und psychokinetisch einwirken können - zumindest manche, zumindest manchmal -, sind mittlerweile erdrückend. Zwar schwankt die Qualität der Hinweise erheblich: Zwischen dem anekdotischen Erlebnisbericht eines einsamen Augenzeugen und der placebokontrollierten Dreifachblindstudie mehrerer Hochschulinstitute liegen Welten, was ihre Zuverlässigkeit betrifft. Doch wer die Existenz triftiger Hinweise auch noch Anfang des 21. Jahrhunderts pauschal in Abrede stellt, steht nicht mehr bloß am Rand einer klaffenden Bildungslücke - er ist schon einen Schritt weiter.
Wer meint, damit sei das Geheimnis des Fernheilens bereits gelüftet, freut sich allerdings zu früh, und zwar aus zwei Gründen.
Erstens: Wäre Fernheilen einfach ein Sonderfall von Telepathie und/ oder Psychokinese, dann müssten sich Hochbegabungen auf einem Gebiet zugleich auch im anderen zeigen. Das israelische Psi-Multitalent Uri Geller etwa, der als telegener "Löffelverbieger" Mitte der siebziger Jahre Außersinnliches schlagartig in den Mittelpunkt öffentlicher Aufmerksamkeit rückte und die "Psi-Welle" mitanstieß, hat skeptischen Wissenschaftlern seit Jahrzehnten zwar immer wieder demonstriert, weshalb er zurecht als die wohl größte psychokinetische Begabung unserer Zeit gilt. Wahre "Heilwunder" indes hat auch er nie zustande gebracht. Auch wenn Geller seit kurzem engagiert für eine Mind Medicine wirbt, die "das unendliche Potential unseres Geistes nutzt", sind seine eigenen therapeutischen Leistungen bisher den Beweis schuldig geblieben. Überhaupt waren bisher an fast allen erfolgreichen ASW- und PK-Studien Versuchspersonen beteiligt, die bisher durch keinerlei heilerisches Talent aufgefallen sind. (Was natürlich auch daran liegen könnte, dass es bisher nicht erkannt, erprobt und gefördert wurde.) Zu den raren Ausnahmen zählen der Inder Sai Baba, der Brasilianer Thomas Coutinho, die Russin Nina Kulagina und neuerdings ihr Landsmann Alexander Rasin, der US-Amerikaner Dean Kraft, der Pole Jerzy Rejmer, der Grieche Christos Drossinakis, der Italiener Nicola Cutolo und der Engländer Geoffrey Boltwood.
Andererseits blieben Heiler, die allem Anschein nach herausragende therapeutische Ergebnisse erzielen, in Telepathie- und Psychokinese-Tests bislang ernüchternd unauffällig. Das spricht nicht dagegen, dass beide Arten von Befähigungen letztlich dennoch eng miteinander zusammenhängen - jedoch dafür, dass weitere Faktoren mitspielen. Einer davon folgt daraus, dass Geistheiler - entgegen einer unter Esoterikern weitverbreiteten Gleichsetzung - keineswegs bloß "energetische" Heiler sind, sondern darüber hinaus auch auf einer psychosozialen Ebene mit ihren Klienten agieren. Ein weiterer Faktor könnte damit zusammenhängen, dass der Bewusstseinszustand, den zu erreichen die meisten Heiler als wesentlich für ihren Erfolg erachten, von jenem abweicht, in dem beispielsweise ein Psychokinet am besten performt: Während dieser auf ein bestimmtes Objekt "zielt", in der Absicht, es auf eine ganz bestimmte, vorab festgelegte Weise zu manipulieren, halten viele Heiler das Gegenteil für unerlässlich: Der Geist, der heilt, ist oftmals "ungerichtet" (nondirected), darauf aus, geschehen zu lassen, was auch immer für den Patienten "das Beste" ist. Und dies muss durchaus nicht identisch mit dem sein, was der Patient sich selbst am sehnlichsten wünscht, nämlich ein möglichst rasches und vollständiges Verschwinden all seiner Symptome. Besonders ausgeprägt tritt eine solche Geisteshaltung bei der weltweit verbreitetesten Form des Fernheilens auf, der religiösen Fürbitte. Gebetsheiler sagen nicht: "Ich will ..", sondern "Dein Wille geschehe." Falls beide Einstellungen mit unterschiedlichen Bewusstseinszuständen einhergehen, dann sicherlich auch mit unterschiedlichen neurologischen Prozessen - und damit auch mit unterschiedlichen physikalischen Grundlagen.
Zweitens: "Telepathie" ebenso wie "Psychokinese" sind deskriptive Begriffe: Sie benennen Phänomene, ohne sie zu erklären. Trotzdem könnten beide am Ende entscheidend zu einer Erklärung beitragen. Denn jede Theorie, die sie begreiflich macht, wird uns zugleich aller Voraussicht nach besser verstehen lassen, wie erfolgreiches Fernbehandeln überhaupt möglich ist.
Diese Theorie könnte einheitlicher ausfallen, als die begriffliche Abgrenzung nahelegt. Was hindert uns beispielsweise daran, unter "Gedankenübertragung" einen Vorgang zu verstehen, bei dem ein Sender psychokinetisch das Gehirn des Empfängers beeinflusst - und damit auch die begleitenden mentalen Vorgänge? Ob wir von einem Ziel sagen, dass es "telepathisch" oder "psychokinetisch" beeinflusst wird, hängt wohl allein davon ab, ob wir ihm Geist zutrauen oder nicht. Eine "Gedankenübertragung" auf höhere Tiere kommt uns noch begrifflich akzeptabel vor, während uns dies bei einer Alge, einem Kressesamen, einer Coli-Bakterie, einem Protein oder einem DNS-Strang reichlich abwegig vorkommt. Doch darin spiegelt sich vermutlich nichts weiter als unser kulturbedingtes Widerstreben, uns vom psychophysischen Dualismus mit letzter Konsequenz zu verabschieden. In beiden Fällen finden mentale Fernwirkungen statt, bei denen weder das, was wirkt, noch das Bewirkte ontologisch aus der einen Welt herausfällt, der wir ganz und gar zugehören.
Quellenangaben und weiterführende Literatur in Fernheilen, Band 2.



Kommentare