Geistheilung durch Psychokinese?
- Harald Wiesendanger
- 22. Sept.
- 7 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 7. Okt.
Ausführliche Auseinandersetzungen mit diesem und weiteren Argumenten in Geistiges Heilen - Das Große Buch, Geistheiler - Der Ratgeber, Heilen “Heiler”? und Fernheilen, Band 2.
An Spannung herrschte in seiner Praxis kein Mangel - in doppelter Hinsicht. Um den "Doktor mit den elektrischen Händen" höchstpersönlich zu erleben, pilgerten seit 1979 weit über 50.000 Kranke nach Hall bei Innsbruck. Täglich drängten sich bis zu hundert Patienten in den chronisch überfüllten Wartezimmern des Dr. med. XY, eines ausgebildeten Facharzts für Psychiatrie und Neurologie. Stundenlang harrten sie geduldig jenes magischen Augenblicks, in dem der promovierte "Wunderheiler von Tirol" endlich Hand an sie legte.
Fernheilen: medizinische Psychokinese?
Was dann geschehen würde, hatten sie in unzähligen Presseberichten und Esoterikbüchern nachlesen können: "XY führt seine Hände zu einer bestimmten Körperstelle, so als suche er den genauen Punkt, an dem er ansetzen muss", so schilderte etwa der vielgelesene britische Sachbuchautor Guy Leon Playfair eigene Eindrücke. "Dann streckt er unvermittelt einen Finger aus. Plötzlich ist ein scharfes Knistern zu hören. Die Patienten reagieren unmittelbar darauf: 'Es kam mir so vor, als hätte mich ein Blitz getroffen', 'es durchfuhr mich wie ein Stromschlag', 'es war, als hätte mich ein Elektrokabel gestreift', sagen sie." Walteten hier nicht "schier unheimliche Kräfte"?
Was er mit dieser Power an "Psychokinese"-Effekten zustandebringt, führte der Doktor mehrfach im Fernsehen vor: Wenn er einen Finger in die Nähe einer im Aschenbecher liegenden Zigarette brachte, konnte er sie hin- und herrollen und rotieren lassen, ohne sie zu berühren. Eine Neonröhre begann zu glimmen, sobald er sie anfasste, obwohl sie nachweislich nicht an einen Stromkreis angeschlossen war.
Der Besucher aus England war sprachlos: "Ich wusste schon, dass der menschliche Organismus leichte elektrische Ladungen tragen kann. Aber wie sollen, willentlich gesteuert, mehrmals hintereinander Stromstöße derartiger Stärke von ihm ausgehen? Da scheidet jede natürliche Erklärung aus", war sich Playfair sicher. XY gab ihm recht: Es müsse wohl "so etwas wie ein 'bioelektrisches Feld' geben, das Energie von einem gesunden auf einen kranken Körper übertragen und diesen strukturell verändern kann".
Was es mit den phänomenalen Stromstößen aus bloßen Händen tatsächlich auf sich hatte, brachte schließlich ein unzufriedener Angestellter ans Licht, mit dem sich XY überworfen hatte. An seinem letzten Arbeitstag riss er sich des Doktors rechten Schuh unter den Nagel - und brachte ihn, als Beweismittel, in einen Betrugsprozess ein. Auf Röntgenbildern gab der Schuh, ein Clog mit seltsam hohem Absatz und dicker Holzsohle, sein raffiniertes Geheimnis preis: Die Stromstöße erzeugte der "Wunderheiler" mit einer darin untergebrachten Vorrichtung aus Akkumulatoren und elektrischen Schaltkreisen, die er durch einen Tastschalter mit der großen Zehe betätigen konnte.
Diese Apparatur, so machte XY dem Gericht zunächst weis, benutze er zur Selbstbehandlung seiner Schweißfüße. Und da er rechts mehr schwitze, sei der Schaltkreis nur in den rechten Schuh eingebaut worden. Im weiteren Verfahrensverlauf wartete er, auf ein Gutachten gestützt, sicherheitshalber noch mit einer zweiten Version auf: Der Schuh diene als Mittel zur "elektrophysiologischen Behandlung" von Patienten. Die Therapiewirkung sei dadurch verstärkt worden, dass die Kranken über die wahre Herkunft der Ströme nicht Bescheid wussten. Damit erreichte XY einen umstrittenen Freispruch.
Also alles fauler Zauber, wenn Heiler ein vermeintliches psychokinetisches Talent zur Schau stellen? Der XY-Skandal, von Skeptikern weidlich ausgeschlachtet, verführt leicht zu solchen voreiligen Schlüssen. Doch geht Geistiges Heilen tatsächlich ab und zu mit physikalischen Erscheinungen einher, die zwar gemessen, aber nicht erklärt werden können.
Für ihre Echtheit spricht mittlerweile eine enorme Fülle hochwertiger Psychokinese-Studien, aber auch wohldokumentierter Episoden. Wer daran zweifelt, sollte sich mit den Kernspinresonanz-Analysen von chemischen Substanzen befassen, auf die Jerzy Rejmer einzuwirken versucht hatte, oder mit Robert Millers Versuchsreihen mit der Geistheilerin Olga Worrall, die handauflegend in eine "Nebelkammer" hineinwirkte. (Siehe Fernheilen, Band 2.) Oder er sollte Geoffrey Boltwood kennenlernen, einen Heiler aus England, auf den ich Anfang der neunziger Jahre aufmerksam wurde und seither mehrfach zu den Basler "Weltkongressen für Geistiges Heilen" eingeladen habe. Willentlich verbiegt er Metall, lässt ein eingeschaltetes Radio Knackgeräusche von im voraus angekündigter Anzahl und Dauer hervorbringen; seine Heilbehandlungen per Handauflegen begleiten oftmals Geräusche aus dem Nichts. Und diese Begabung hat er auch schon auf Distanz unter Beweis gestellt: Im November 1989 gelang es ihm offenbar, auf eine nachweislich unbespielte, fabrikneue und versiegelte Tonbandkassette über eine größere Entfernung hinweg eine Botschaft zu "denken". Die Kassette war im Londoner College of Psychic Studies sicher unter Verschluss gewesen. Mehrere Kilometer entfernt, in der Ortschaft Clapham, konzentrierte sich Boltwood sechs Stunden lang intensiv auf sie. Dabei versuchte er, die letzte Zeile eines Gedichts des englischen Lyrikers Dylan Thomas (1914-1953) psychokinetisch auf das Band zu übertragen: "And death shall have no opinion" ("Und der Tod wird keine Macht haben.") Als eine Woche später, vor 200 Zeugen, das Band entsiegelt und abgespielt wurde, "vernahmen sämtliche Versammelten Boltwoods Stimme", wie ein anwesender Pressevertreter versicherte. "Sie war so deutlich zu hören, daß eine Verwechslung ausgeschlossen war, auch wenn sie aus einem starken Hintergrundrauschen heraus ertönte. Eindeutig rezitierte sie das Ende von Thomas´ Gedicht." Für einen David Copperfield wäre diese Performance wohl ein Kinderspiel gewesen; aber wie kriegt sie ein Heiler zustande, der nie eine Ausbildung zum Bühnenmagier absolviert hat?
Psychokinese zeigte sich im übrigen auch schon im Tierversuch. In meinem Buch Die Jagd nach Psi32 schildere ich PK-Versuche von französischen Medizinern am "Institut für Psychophysik" in Nantes: Sie entwickelten ein mobiles Messgerät, dessen Bewegungen frischgeschlüpfte Entenküken offenbar psychokinetisch manipulieren konnten.
Seit Ende der fünfziger Jahre, als erste Laborstudien über Psychokinese anliefen, bis Mitte 2000 wurden nicht weniger als 515 PK-Experimente von 91 verschiedenen Forschern und Forscherteams weltweit in 216 Artikeln berichtet, wie Wissenschaftler der Universität Princeton und des Boundary Institute in Los Altos, Kalifornien, kürzlich feststellten. Veröffentlicht wurden diese Studien keineswegs in seichten Esoterikblättchen, sondern in angesehenen Fachzeitschriften, Diplomarbeiten, Dissertationen und Habilitationsschriften. Untersucht wurde dabei beispielsweise, ob bloße menschliche Intention imstande ist, dünne Metallstreifen morphologisch zu verändern, die Anordnung von Bällen aus Metall und Plastik oder Münzen, während sie sich drehen, zu beeinflussen; ob sie die Temperatur innerhalb hermetisch abgeschirmter Räume ansteigen oder absinken, radioaktiven Zerfall beschleunigen oder verzögern, auf Magnetometer und Interferometer einwirken kann. Weitaus am häufigsten aber fanden Experimente mit Würfeln und Zufallsgeneratoren statt. Im ersten Fall bemühten sich Versuchspersonen, rein gedanklich (z.B. mit dem Wunsch: "Als nächstes soll eine 6 kommen") die Augenzahl von Würfeln zu beeinflussen, die sie entweder selbst aus Bechern schüttelten oder - um manuellen Manipulationen vorzubeugen - von einer Maschine geworfen wurden. Statistisch ausgewertet wurde dabei das Verhältnis der "Treffer" zur Gesamtzahl der Würfe. Allein zwischen 1935 und 1987 wurden von 52 Forschern 73 derartige Studien veröffentlicht, die 148 Experimente mit insgesamt 2,6 Millionen Würfen umfassten; nur in 31 Studien (mit etwas über 150'000 Würfen) kam kein statistisch signifikanter Einfluss zum Vorschein.
Bei der zweiten Art von Experimenten, die 1959 begannen, ging es um mentale Einflüsse auf die Zahlenfolgen, die Zufallsgeneratoren erzeugten. In einer typischen Testreihe produziert eine solche Vorrichtung hundertmal nacheinander irgendeine beliebige Zahl zwischen 1 und 100. Ehe eine Versuchsperson (oder auch eine Personengruppe) sie per Knopfdruck eine Zahl ausspucken lässt, nimmt sie sich vor, dass sich dabei entweder ein Wert unter 50 ergeben wird - oder einer, der darüber liegt. Anschließend finden zur Kontrolle weitere Testsitzungen statt, die mit keinerlei solchen Intentionen verbunden werden. Von 515 derartigen Experimenten - zwischen 1959 und Mitte 2000 von 91 verschiedenen Wissenschaftlern in 216 Publikationen berichtet - einen alles in allem statistisch auffälligen Effekt. Skeptiker richten auf Befunde dieser Art gerne den Verdacht, sie hätten sich einfach daraus ergeben, dass Wissenschaftler vorzugsweise positive Ergebnisse publizieren, während sie Fehlschläge lieber unter den Tisch fallen lassen. Mathematisch berechnen lässt sich aber: Um den statistischen Gesamteffekt im festgestellten Ausmaß auf Zufallsniveau zu bringen, hätte jeder der 91 Forscher 29 weitere, nichtsignifikante Experimente durchführen, aber verschweigen müssen: eine arg an den Haaren herbeigezogene Unterstellung.
Zumeist befanden sich bei PK-Experimenten die Versuchspersonen in unmittelbarer Nähe ihrer Zielobjekte. Zahlreiche andere Studien lassen indes keinen Zweifel daran, dass Psychokinese an keine räumlichen Grenzen gebunden ist.
Ausgiebig erforscht wurden mittlerweile auch geistige Fernwirkungen auf biologische Systeme verschiedenster Art: auf Tiere, Pflanzen, Pilze und Bakterien, isolierte Zellen und Zellbestandteile. Soweit an diesen Studien Heiler beteiligt waren, stelle ich sie im Kapitel 11 von Fernheilen, Band 2 vor. Zum weitaus größeren Teil fanden derartige Studien allerdings mit therapeutischen Laien statt - mit Freiwilligen unterschiedlichster Herkunft, die bis dahin durch keinerlei Heilbegabungen auffielen. Da auch sie Paranormales zustande bringen - stützt dies nicht immens die Testbefunde über entsprechende Fähigkeiten von Heilern?
Wenn manche Menschen also tatsächlich imstande sind, weit entfernte Zielobjekte durch bloße Konzentration zu verändern: Könnte dahinter nicht dasselbe rätselhafte physikalische Prinzip stecken, dank dessen manche Heiler auch Zielobjekte in den Körpern weit entfernter Patienten beeinflussen - seien es Krebsgeschwulste oder Blutbestandteile, Haut-, Knochen- oder Nervenzellen, die Aktivität von Proteinen und Enzymen, die Produktion von Hormonen, ganze Organe oder eingedrungene Krankheitserreger? Fernheilen könnte demnach als therapeutische Psychokinese verstanden werden - sei es, dass sie direkt auf der anatomisch-pathologischen Ebene eingreift, sei es indirekt, auf dem Umweg über immaterielle Felder, deren erfolgreiche Manipulation sich wiederum heilsam auf den Körper auswirkt. Wenn Heiler auf Distanz in der Lage sind, z.B. die Bewegung von Kleinstlebewesen im Labor zu steuern, so könnte dies zumindest einen Teil der Behandlungserfolge, die Geistheiler erzielen, verständlicher machen. Möglicherweise werden unter ihrem Einfluss infektiöse Organismen, vom Einzeller bis zum parasitischen Wurm, zu Ausscheidungsorganen hinbewegt, durch die sie aus dem Körper entfernt werden; oder sie werden bewegungsunfähig gemacht; oder an Stellen geschafft, wo sie für das körpereigene Abwehrsystem leichter angreifbar sind; oder sie werden zu Positionen bewegt, in denen ihre Wachstumsbedingungen ungünstiger sind: wo sie zum Beispiel schlechter mit Blut versorgt werden.
Auch eine Kombination von Telepathie und Psychokinese ist denkbar, wenn Fernbehandlungen gelingen. Manche Fernheiler erklären, dass sie Partner und andere nahestehende Personen in der Umgebung eines abwesenden Patienten gleichsam als "Stellvertreter" einsetzen: Möglicherweise gelingt es ihnen, jemanden aus diesem Personenkreis telepathisch derart zu beeinflussen, dass er daraufhin, unbewusst, aus unmittelbarer Nähe auf den Kranken psychokinetisch einwirkt. Eine solche Erklärung ist übrigens auch für Tedders und Montys erstaunliche Testergebnisse vorgeschlagen worden (s. Kap. 11 von Fernheilen, Band 2): Nicht die "fernwirkenden" Versuchspersonen, sondern die mit den Pilzkulturen befassten Experimentatoren könnten es demnach gewesen sein, die psychokinetisch die beobachteten Wachstumsveränderungen auslösten - auf einen telepathischen Impuls der "Sender" hin.



Kommentare