Wirken Geistheiler aus eigener Kraft? Schöpfen sie aus Energien, die sie selbst erzeugen, willentlich oder unbewusst?
Nur wenige Handaufleger und Heilmagnetiseure behaupten dies. Die meisten Geistheiler vergleichen
sich eher mit einem «Kanal», der eine jenseitige Energie aufnimmt, sie bündelt, dabei vielleicht auch transformiert und verstärkt, um sie dann gezielt an Kranke weiterzuleiten. Aber was heißt dabei «jenseitig»?
Diese Frage teilt die westliche Heilerszene heute in drei Lager. Traditionelle Christen sehen ihre Kraft vom Gott der Bibel ausgehen: von einer unkörperlichen, allgegenwärtigen Superintelligenz mit den wesentlichen Attributen einer Person, die man ansprechen, um Hilfe bitten und
gnädig stimmen kann; einer Person, die belohnt und straft, zürnt und vergibt; einer Person, die an menschlichen Unzulänglichkeiten gemessen vollkommen ist, ausgestattet mit grenzenloser Macht, unendlicher Weisheit und unbedingter Liebe. Eine zweite Gruppe beruft sich, unter dem Einfluss fernöstlicher Religionen, auf Gott allenfalls als eine unpersönliche Energie, die den gesamten Kosmos durchdringt, ordnet und seinem Entwicklungsziel entgegentreibt. Um Vertreter einer dritten Theorie wird es
in diesem Essay gehen: Sie sehen sich als Instrumente von Geistern, meist von Verstorbenen. (Allerdings werden diese jenseitigen Helfer ihrerseits letztlich meist als Werkzeuge eines «höheren» Geistes betrachtet.)
Eine Person, die dem Jenseits als Vermittler von Botschaften und Vollzugsorgan dient, bezeichnen Spiritisten als Medium (lat.: das Vermittelnde). Um zu einem solchen Werkzeug oder «Kanal» zu werden, müssen manche Medien zuvor in Trance sinken; andere bleiben anscheinend bei
vollem Bewußtsein. Meist leiht das Medium den Jenseitigen seine Stimme («automatisches Sprechen»). Dabei können sich Tonfall, Stimmlage und Dialekt, oft auch Mimik und Gestik erheblich verändern; mitunter kommt es zu dramatischen Persönlichkeitsveränderungen, die einer zeitweiligen Besessenheit gleichkommen. Oft lässt sich das Medium von Jenseitigen auch die Hand führen, wie beim automatischen Schreiben und Zeichnen, beim Pendeln oder Glasrücken. Was dabei «durchkommt», können scheinbar
sinnlose Zeichenkombinationen, einzelne Wörter oder Sätze sein, aber auch ganze Bücher, Gemälde und Kompositionen, die eigene Kunstrichtungen begründet haben: mediale Literatur, mediale Malerei, mediale Musik. |