Geisterärzte: der gemeinsame Nenner
Ob «Dr. Fritz», «Dr. Lang» oder «Dr. Kahn», eines
verbindet sie alle: Kaum ein Geisterarzt will bloß reparieren, was diesseitige Schulmediziner nicht heilen können. Wie der biblische Jesus verstehen sie ihre mediale Einmischung ins terrestrische Gesundheitswesen durchweg als Signum: Sie wollen damit Zeichen setzen. «Er versucht die Aufmerksamkeit der Menschen zu wecken», erklärte der i99i ermordete brasilianische Geist-Chirurg Dr. Edson Queiroz, selbst Arzt, einmal über die tieferen Absichten seines Geistführers «Dr. Fritz» - «manchmal auf
schockierende Weise, manchmal mit Liebe, damit die Botschaft der Unsterblichkeit der Seele, des Glaubens an Gott und das Vertrauen in ihn weiterleben.»
Die meisten Geist-Chirurgen betonen, dass sie den physischen Leib nur «indirekt» behandeln. Nach Erklärungen für ihre Erfolge befragt, zeichnen sie durchweg ein spiritualistisches Menschenbild. Demnach sind wir nicht bloß Leib und Seele, wie der platonisch-cartesianische Dualismus des Abendlands annimmt; darüber hinaus besitzen wir
einen oder mehrere «feinstoffliche» Körper, von dem schon der Arzt und Naturforscher Paracelsus (1493-1541) schrieb: «Das Fleisch des Menschen muss also verstanden werden, dass seiner zweierlei Art ist, nämlich das Adam entstammende Fleisch, und das Fleisch, das nicht aus Adam ist ... Es ist ein subtiles Fleisch, das nicht zu binden oder zu fassen ist, denn es ist nicht aus Erde gemacht.» Krankheit entsteht, wenn dieser «subtile» Anteil (Esoteriker sprechen vom «Ätherleib») geschädigt ist;
dies wiederum soll sich auf den physischen Körper pathologisch auswirken. Von daher behaupten Geist-Chirurgen, bei tieferen Ursachen anzusetzen.
Therapie mit Geistern: bloßer Wahn?
Der gängigste Einwand gegen Geist-Chirurgie unterstellt ihr schlichten Betrug - vor allem gestützt auf «Entlarvungen» mancher Filipino bei angeblichen «Eingriffen». Plumpe Taschenspielertricks vermuteten etwa der amerikanische Arzt
Seymour Wanderman, der Parapsychologe Hans Bender und der Naturforscher Hoimar von Ditfurth. Auf Filmaufnahmen war beispielsweise zu sehen, wie einem Patienten, dem angeblich gerade der Bauch geöffnet wird, in Wirklichkeit nur die Bauchdecke mit den Handknöcheln geknetet wird; die Fingerspitzen waren deutlich zu erkennen. Wie Analysen ergaben, stammten Blut und Gewebe nicht von den Patienten, sondern von Tieren. Selbst Agpaoa wurde gelegentlich plumper Täuschungen überführt: Die rote
Flüssigkeit, die während seiner Operationen austrat, stammte weder von Menschen noch von Tieren; «Nierensteine» erwiesen sich als zusammengesetzt aus Salz und Bims; angeblich frisch entnommene Knochen- und Gewebeteile hatten, wie sich herausstellte, bereits zu verwesen begonnen.
Dagegen stehen Augenzeugenberichte anderer Wissenschaftler von Rang, die jahrelang vor Ort recherchiert haben. Dass Betrügereien vorkommen, bestreiten sie nicht, halten sie aber für Ausnahmen, die nicht
vorschnell verallgemeinert werden dürfen. Zu diesen Befürwortern gehören der Züricher Psychiater Dr. Hans Naegeli-Osjord; Prof. Dr. Werner Schiebeler, Physiker aus Ravensburg und von 1965 bis zu seiner Emeritierung 1983 Lehrstuhlinhaber an der dortigen Fachhochschule; Professor Alex Schneider, Schweizer Physiker aus St. Gallen und Präsident der alljährlichen Basler «Psi-Tage»; sowie der Physiker und Chemiker Professor Dr. Alfred Stelter aus Dortmund. Sie alle beobachteten ungehindert aus
nächster Nähe, was geschah; sie fotografierten und filmten die Vorgänge, analysierten hinterher die Aufnahmen eingehend, teilweise unter Hinzuziehung von Trickexperten; sie veranlassten biochemische Untersuchungen von Gewebeproben; sie ließen «operierte» Patienten nach ihrer Rückkehr ärztlich begutachten und verfolgten deren weiteren Krankheitsverlauf; teilweise unterzogen sie sich sogar selbst den befremdlichen Kuren. Gemeinsam mit Naegeli, zwei weiteren Ärzten und mehreren Patienten flog
Stelter 1971 auf die Philippinen, um Agpaoa und wenigstens ein paar weitere von vierzig Heilern unter die Lupe zu nehmen, die seinerzeit in der «Unio Espiritista Cristiana» organisiert waren. Dabei erlebte er mehrere erfolgreiche Operationen, bei denen ihm jegliche Tricks ausgeschlossen schienen. Auch ihm fielen mitunter Täuschungen auf; trotzdem will er den Heilern dabei nicht gleich böse Absichten unterstellen, sondern sieht in den Manipulationen ein bewusstes, überaus zweckdienliches Spiel
mit dem Placebo-Effekt, zum Wohl des Patienten: Je blutiger und dramatischer der Eingriff, desto tiefer ist ein Kranker davon überzeugt, dass mit ihm «etwas geschieht»; desto stärker vertraut er auf Heilung -- und um so größere Genesungschancen besitzt er in der Tat. Die Schamanen Zentralasiens haben in ihrem Analogiezauber den vorsätzlichen Gebrauch von Placebos geradezu zum therapeutischen Prinzip erhoben: Gezielt setzen sie Fremdkörper als Krankheitssymbole ein, die sie scheinbar aus dem
Körper des Patienten herausholen. Damit nehmen sie symbolisch vorweg, was geschehen soll - ähnlich wie sie Wasser verspritzen, damit es regnet. Doch die Wassertropfen allein sind noch keine Magie - sie versinnbildlichen lediglich die Kräfte, die durch sie wirken sollen, um sie für Kranke begreifbarer zu machen.
Welcher westliche Chirurg weiß im übrigen mit Sicherheit, inwieweit seine Verrichtungen nicht ebenfalls als Placebos wirken? Denn was beeindruckt einen Patienten mehr als
eine invasive, massiv in das körperliche Geschehen eingreifende Maßnahme? In den fünfziger Jahren kam ein neues operatives Verfahren auf, um die Schmerzen zu beseitigen, die eine Verengung der Herzkranzgefäße auslöste (die sogenannte «koronare Herzkrankheit»). Dazu wurde eine Arterie im Brustraum, die Mammaria interna, so umgeleitet, dass dem Herzen mehr Blut zufloss. Die Ergebnisse schienen vielversprechend: Bei sieben von zehn derart Operierten ließen die Schmerzen deutlich nach, die
Herzfunktion besserte sich. Allein in den USA fanden daraufhin bis Ende der sechziger Jahre über zehntausend derartige Eingriffe statt. Doch dann brachte eine Kontrollstudie die große Ernüchterung: Man hatte koronar Herzkranke in zwei Gruppen aufgeteilt. Bei den Patienten beider Gruppen wurde nach der Anästhesie ein Einschnitt neben dem Brustbein vorgenommen. Doch bei der einen Gruppe wurde die entsprechende Arterie nicht angerührt; sie erhielt also eine reine Placebo-Operation. Trotzdem
stellte sich heraus, dass beide Gruppen sich in ihrer Erfolgsquote nicht unterschieden. So mächtig kann das dramatische Szenario eines schulmedizinischen Eingriffs wirken.
Davon abgesehen: Placebo-Effekte und Suggestionen mögen manche Heilerfolge von Psychochirurgen erklären, zumindest teilweise - aber nicht alle. Etliche spektakuläre, für unmöglich gehaltene Genesungen von chronisch Kranken übertreffen selbst kühnste Annahmen psychosomatischer Mediziner über die heilsame Wirkung des
bloßen Glaubens an Heilung.
Ebenso verbreitet ist ein zweiter Einwand: Was Geist-Chirurgen vornehmen, seien in Wahrheit «ganz gewöhnliche» Operationen, wie sie auch jeder westliche Chirurg durchführen würde, wenn auch ohne spiritistisches Brimborium. Eine «höhere» Führung zu vermuten, sei überflüssig. Gibt es denn wirklich gute, wissenschaftlich diskussionsfähige Gründe dafür, der Beteuerung solcher «Geist-Chirurgen» zu glauben, unsichtbar führe ihnen ein Jenseitiger die Hand? Auf ihre
subjektiven Eindrücke, auf ihre weitgehende Identifikation mit der fremden Wesenheit, auf oft geradezu dramatische Persönlichkeitsveränderungen ist hier, ebenso wie in anderen Fällen zeitweiliger Besessenheit, schwerlich Verlass: Auch Schizophrene zeigen solche verblüffenden Symptome. Bedenklich stimmen dagegen mehrere andere Besonderheiten:
- Bisweilen kennt der Heiler anscheinend das irdische Leben seines «Geistführers» bis in intimste Einzelheiten. Wie kam er zu diesem Wissen,
das mühsame Recherchen oft erst im nachhinein bestätigen?
- Geist-Chirurgen sind meist völlige medizinische Laien; woher sonst, wenn nicht aus einer anderen Wirklichkeit, sollten sie nehmen, was sie wissen und können?
- Einige angewandte Operationstechniken sind einzigartig und bisher nie dagewesen: in ihrer Ausführung; in ihrer Geschwindigkeit; in ihrer Präzision, manchmal sogar mit geschlossenen Augen oder abgewandtem Blick, bei miserablen Lichtverhältnissen und
im hektischen Stimmengewirr Hunderter von Augenzeugen. Kein Lebender hätte den Heiler je darin unterweisen können.
- Viele geistchirurgische Eingriffe setzen ein fachübergreifendes Wissen voraus; oft kommen orthopädische, internistische, ophthalmologische, gynäkologische und andere Therapiemethoden zusammen. Kein einzelner Spezialist, geschweige denn ein medizinischer Laie scheint dazu imstande. (Viele «Geisterärzte» vertreten ein ganzes Team von jenseitigen Spezialisten, wie
Spiritisten erklären.) - Der Operation vorausgehende Diagnosen werden oft in Sekunden gestellt, fast immer ohne die geringste Voruntersuchung.
- Obwohl die Patienten vorab weder narkotisiert, hypnotisiert oder auch nur geistig eingestimmt werden, bleiben sie in aller Regel völlig schmerzfrei - selbst wenn mit einem Skalpell tiefe Hautschnitte vorgenommen, faustgroße Geschwülste und ganze Organe herausoperiert werden.
- Der Blutverlust ist minimal, obwohl
keine der bekannten Methoden zur Blutstillung eingesetzt wird. - Tiefe Schnittwunden verheilen im Nu. Kaum je bleiben Operationsnarben zurück. Nie wird genäht; die Wundränder erscheinen nach dem Eingriff meist wie zusammengeleimt.
- Das eingesetzte Operationsbesteck ist unsterilisiert. Trotzdem treten ganz selten Infektionen auf.
Auch im Umfeld geistchirurgischer Eingriffe kommt es mitunter zu paranormalen Vorfällen, die ahnen lassen, wie wenig «gewöhnlich» es
dabei zugeht:
- Unerklärliche Geräusche, Gerüche, Leuchterscheinungen und anderer Spuk treten auf, die der Heiler schwerlich herbeigetrickst haben kann.
- Einzelne Körperpartien werden für Umstehende zeitweise «durchsichtig». Mehrere Augenzeugen sahen Skeletteile und Organe freiliegen, durch die geschlossene Haut hindurch.
- Gegenstände verschwinden, tauchen kurz darauf aus dem Nichts wieder auf. Solche (De-)Materialisationen beobachteten zwei deutsche
Psychologen während mehrerer absonderlicher «Wattebehandlungen», mit denen die philippinische Reisbäuerin Josephine Sison aus Barongobong berühmt wurde: «Einer Frau legt die Heilerin einen faustgroßen, feuchten Wattebausch auf das rechte Auge und drückt leicht mit den Fingerspitzen darauf. Was dann geschieht, treibt uns Zuschauern den kalten Schweiß auf die Stirn. Wir sehen, wie die Watte zu schrumpfen beginnt und im Auge der Patientin verschwindet. Drei Minuten vergehen. Und dann werden wir
Zeuge, wie die Heilerin die Watte aus dem linken Auge der Frau wieder hervorholt.» Insgesamt achtzehnmal führte Sison am selben Tag solche Wattebehandlungen vor. «Einer der Patienten bekommt mehr Watte in die Nase gestopft, als vom Volumen her überhaupt hineinpassen kann. <Die Watte hat sich aufgelöst>, sagt Josephine, als sie unser ratloses Gesicht bemerkt.» Ein billiger Taschenspielertrick? Zur Probe behandelte ein Team von Schweizer Kameraleuten die Watte radioaktiv; mit einem
Geigerzähler verfolgte es ihren Weg durch den Körper des Patienten. Irgendwann verlor sich die Spur.
- Ebenso ungeklärt sind sogenannte «Luftschnitte», wie sie drei philippinische Heiler routinemäßig vornehmen: David Oligane, Juan Blance und Emilio Lapurga. Ohne den Körper zu berühren, öffnen sie die Haut, oft mit einer raschen Handbewegung in der Luft. Vor zwei skeptischen Wissenschaftlern wiederholte Oligane einmal solche Schnitte «zur Demonstration durch einen mitgebrachten
Aktendeckel hindurch». Auf dieselbe Weise «spaltete er ein Dutzend Calamanifrüchte aus einem Meter Entfernung.»
- Rätsel geben auch gespenstische «Injektionen» auf, bei denen der Heiler eine entsprechende Bewegung mit den Fingern nachahmt, ohne den Körper des Patienten zu berühren. Trotzdem spürt der Patient den Schmerz des Einstichs, an der Injektionsstelle ist eine Wunde zu sehen. Bisweilen tritt sogar Blut aus. |