Rekonnektierer, Maniah(c)s und Orionisten, aber auch Reikianer, Neotheosophen und Magnified Healers verstehen sich selten als Vertreter separater Heilerschulen. Die allermeisten fühlen sich einem Berufsstand zugehörig, von dessen Wirken nichts Geringeres als die Zukunft der Menschheit abhängen soll: den Lichtarbeitern.
Unter einem "Lichtarbeiter" stellt sich ein esoterisch Unbedarfter wohl am ehesten jemanden vor, der Beleuchtungskörper herstellt oder anbringt. Damit liegt er peinlich daneben: Das "Licht", mit dem solche Werktätigen zu tun haben, stammt nicht aus Glühbirnen und Neonröhren, sondern aus "höheren" Dimensionen: Es ist göttliches Licht "höchster", "feinster" Schwingungsfrequenz - und identisch mit Geist in seiner reinsten, vollkommensten Form.
Worin besteht dann die "Arbeit" von Lichtarbeitern? Sie hüten das größte aller Geheimnisse: Woher kommt, wohin geht der Mensch letztlich? Sie wissen, was hinter dieser Entwicklung steckt, wie sie verläuft, wer oder was sie vorantreibt. Sie helfen unsereinem, sich auf sie einzustellen, für sie reif zu werden, mit ihr Schritt zu halten, sie zu beschleunigen - im Bund mit lichtvollen Geistwesen, von denen sie sich geführt wähnen. Nie war solche "Arbeit" nötiger: Denn angeblich durchläuft die Menschheitsgeschichte gerade jetzt eine entscheidende Phase der "Transformation", die krisenhafte Zuspitzungen ungeahnten Ausmaßes beschert, allerdings mit glücklichem Ausgang, denn sie eröffnet uns eine neue Welt unendlicher Liebe, in welcher der göttliche Geist sich ein für allemal über die Niederungen der Materie erhebt. Unter anderem vervollkommnet die "Transformation" Fähigkeiten wie das Geistige Heilen, dem Krankendienst mit reinem "Licht", das keine Grenzen kennt - und Fernbehandlungen zunehmend zum Kinderspiel macht.
Zu den hervorstechenden Merkmalen dieser Bewegung zählt, dass sich kein bestimmter "Urheber" ausfindig machen lässt - weder diesseits noch drüben. Die Ideologie der "Lichtarbeiter" entspringt mystischen Offenbarungen, die zwischen Kalifornien und Australien, Schweden und Südafrika Dutzenden, wenn nicht Hunderten von ihnen in außergewöhnlichen Bewusstseinszuständen zuteil geworden sein sollen - und beinahe wöchentlich kommen weitere hinzu. Wovon sie sich dabei angesprochen, erweckt und instruiert fühlen, ist anscheinend keine einzelne Identität, sondern eine stattliche Armada von Geistwesen, die unter unterschiedlichen Namen gelegentlich auch gruppenweise daherkommen. Hinter ihren Durchgaben ein und dieselbe Botschaft aus derselben Sphäre zu erkennen, erfordert mitunter eine erhebliche Frustrationstoleranz gegenüber Ungereimtheiten und blanken Widersprüchen, womit die Szene allerdings, in liebevoller Nachsicht, mühelos klarkommt. Die Wesenheiten stellen sich vor als "Kryon" oder "Vywamus", als "Orin" oder "Sananda", als "Arkturus" oder "Ariel" - und eröffnen jedem, der ihnen sein mediales Innenohr leihen mag, atemberaubende Einblicke in die hintersten Hintergründe von allem und jeglichem.
Wie bei Theosophen und anderen esoterischen Strömungen der Neuzeit, so feiert der Gnostizismus der griechischen Antike hierbei eine fröhliche Wiederauferstehung. Gnosis, wörtlich "Wissen" und "Erkenntnis" im Gegensatz zu bloßem "Glauben", steht für die Einsicht in die Differenz, ja die Unvereinbarkeit zwischen der materiellen Welt und dem unsterblichen Kern unseres Seins, der Seele. Der Gnostiker versteht, dass er nicht identisch ist mit diesem Wesen aus Fleisch und Blut, das unter seinem Namen ein kurzes, jämmerlich limitiertes Erdendasein führt, geprägt von unstillbaren Bedürfnissen und einer stets bedrohten Gesundheit. Diese Einsicht erleichtert und befreit, sie macht heiter und gelassen, denn sie hilft, alle diesseitigen Widernisse zu ertragen, in der Zuversicht, unaufhaltsam der wahren, reingeistigen Heimat zuzustreben.
Am Anfang, so lehren Lichtarbeiter, war nichts außer reinem, lichtvollem, allerfüllendem Bewusstsein. Doch irgendwann hätten sich Teile davon separiert. (Hierbei zeichnen manche Medien ein sündenfallähnliches Szenario.) Die Lichtessenz verdichtete sich irgendwie zu Materie. Seither sitzen wir in deren Gefängnis, an unserer Gebundenheit leidend, mit allen Sorgen, Ängsten und Nöten behaftet, die ein Dasein in einem Körper mit sich bringt. Doch eben diese Malaise lässt uns zugleich erfahren, dass wir eigentlich nicht hierhergehören - dass wir weitaus mehr sind als bloß Materie, sondern Licht, dessen wahres Zuhause in höheren Gefilden liegt. Woher sonst, wenn nicht von tiefverschütteten Erinnerungen an unsere eigentliche Heimat, sollten unsere inneren Widerstände gegen diese Art zu sein, unsere anhaltende Unzufriedenheit und Rastlosigkeit, unsere Sinnleere herrühren?
Zuvor müssen wir allerdings mit Umwälzungen intergalaktischen Ausmaßes fertigwerden, die sich gegenwärtig dramatisch zuspitzen. Die Schweizer Ikone der Lichtarbeiter-Bewegung, die frühere politische Redakteurin Reindjen Anselmi, nennt in ihrem Buch Der Lichtkörper als Schlüsseldatum die "Harmonische Konvergenz" vom 16./17. August 1987 (vielleicht aber auch schon vom 15./16. August - da ist sich die Szene noch uneins). Just zu diesem Zeitpunkt, der bereits im Maya-Kalender vermerkt sein soll, sei es zu einer entscheidenden "energetischen Öffnung" gekommen: "Rund achtzig Prozent der Weltbevölkerung spürten auf irgendeine Weise die Auswirkungen der Harmonischen Konvergenz", glaubt sie. "Man vergegenwärtige sich einmal, was sich seit 1987 auf unserem Planeten politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich alles ereignet hat."
Sorgfältige Chronisten kommen nicht umhin, ihr rechtzugeben, denn der 16. August 1987 hatte es tatsächlich in sich. Kann es Zufall sein, dass just an jenem universalhistorischen Tag Steffi Graf erstmals Nummer eins der Weltrangliste im Damentennis wurde? Lichtdurchdrungen trat eine neue Landeplatzverordnung mit erhöhten Schallschutzanforderungen in Kraft, die Festwoche der Freiwilligen Feuerwehr Kriftel/Taunus anlässlich ihres 75jährigen Jubiläums endete mit durchweg strahlenden Gesichtern aller Anwesenden, und der Königsbrunner Damen-Eishockey-Club "Tigers" trat auf den kosmischen Plan. Madonna und Helmut Rahn feierten Geburtstag. und zumindest der popbewegte Teil materieverstrickter Humangeister schwang in planetarischer Eintracht auf gleicher Gedenkfrequenz, anlässlich des zehnten Jahrestags von Elvis Presley. Nicht von ungefähr strahlte das ARD-Regionalprogramm Südwest gerade an diesem Tag ein Sportmagazin mit dem vielsagenden Titel "Flutlicht" aus; in der Soapopera "Lindenstraße", die mit Sicherheit auch die übernächste Globaltransformation unbeschadet überstehen wird, hatte "Onkel Franz" seinen allerersten Auftritt, bei dem er seine Zugehörigkeit zur westdeutschen Lichtarbeiterszene bezeichnenderweise nicht dementierte. Beim Absturz einer Passagiermaschine der US-Fluggesellschaft Northwest Airlines auf eine Autobahn bei Detroit kamen 158 Menschen um - es hätten ja noch viel mehr sein können. Und nur eine lichtvolle Eingebung kann jenen amerikanischen Kriminologen inspiriert haben, der den Todeszeitpunkt eines Menschen feststellen sollte, dessen Skelettteile am 16. August 1987 in einem Eichen-Kiefer-Mischwald in Südkarolina verstreut gefunden worden waren: Er errechnete ihn genialerweise aus dem Verpuppungsstadium der Larven der Schwarzen Soldatenfliege (Hermetia illucens L.), die auf den Überresten des Toten klebten. Kurzum, die Besonderheit des Konvergenzdatums darf als historisch gesichert gelten.
Und die Dynamik nimmt weiter zu, wie zumindest Lichtarbeitern schwant; denn "die Energie hat sich von Mai bis Juli 2001 um das Sechsfache erhöht und nochmals bis Dezember 2001 um das Zwantigfache". Im Jahre 2012 soll diese turbulente Umbruchsphase abgeschlossen sein. Doch bis das Neue Aeon heranbricht, steht uns noch einiges bevor. Unserem Planeten werden krisenhafte Zuspitzungen, Naturkatastrophen und der Durchgang durch einen "Photonenring" aus reinem Licht prophezeit, den unser Planet etwa alle 11'000 Jahre durchwandert, wofür er sich jeweils zwei Jahrtausende Zeit nimmt. Diese heikle Passage übersteht unbeschadet nur, wer seinen "Lichtkörper" rechtzeitig auf das erforderliche Entwicklungsniveau angehoben hat. In diesem "Lichtkörperprozess", der über zwölf Stufen zum "erleuchteten Körper" führt, befinden wir uns allesamt zwar längst. Doch liegt es an uns, ihn zu intensivieren und zu beschleunigen - und Nachzüglern dabei behilflich zu sein. An seinem Ende winkt uns ein vervollkommneter Leib, in dem Zirbel-, Thymus- und Hirnanhangsdrüse gewachsen sind und "spirituelle Funktionen" übernehmen. Vierzehn Chakren verschmelzen schließlich zu einem. Unsere DNS wird zwölfstrangig. ("Ein großer Teil dieses genetischen Materials", weiß Reindjen Anselmi, "ist in den vergangenen 12'000 Jahren inaktiv gewesen, weil (seine) Chakren (...) mit Hilfe von ätherischen Kristallimplantaten in der Mitte versiegelt worden waren, weshalb (...) der Kontakt des Menschen zu seiner spirituellen Ebene unterbrochen wurde.") Die Chemie unseres Gehirns stellt sich um, so dass wir es nicht mehr bloß zu zehn bis fünfzehn Prozent nutzen, sondern sein Potential hundertprozentig ausschöpfen. Unser Verdauungsapparat verliert allmählich seine Funktion, denn der transformierte Mensch ernährt sich nicht mehr von "grobstofflicher" Materie, sondern von Licht. Auf der obersten Stufe haben sich unsere Sinne zur untrüglichen Hellsichtigkeit geschärft. ("Es gibt kein fallendes Blatt, dessen du nicht bewusst wärst", verheißt Erzengel Ariel durch sein diesseitiges Sprachrohr Tashira Tachiren.) Fähigkeiten wie Gedankenübertragung, Teleportation und (De-)Materialisation, die heutzutage noch als "paranormal" gelten, gehören dann zur alltäglichen, selbstverständlichen Grundausstattung eines jeden von uns. Ob der "galaktische, multidimensionale" Übermensch des Neuen Zeitalters eher in einem dermaßen perfekten Körper einherwandelt oder in andere Gefilde entschwebt, gilt unter Lichtarbeitern freilich noch nicht als endgültig ausgemacht.
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